Ewald Hering (1835–1918)Farbkreis nach Ewald Herings Gegenfarbtheorie, die er das „natürliche System der Farbempfindungen“ nannteHering-Täuschung: Die beiden roten Parallelen, welche die sternförmig verlaufenden Geraden schneiden, erscheinen gekrümmt, obwohl sie parallel zueinander sind.
1865 wurde er an der Medizinisch-chirurgischen Josephs-Akademie in Wien als Professor für Physiologie und medizinische Physik Nachfolger des PhysiologenCarl Ludwig.
Ewald Hering gilt nachHelmholtz als einer der bedeutendsten Wahrnehmungsforscher des 19. Jahrhunderts. Er verfasste Arbeiten über den „Raumsinn“ (Tiefenwahrnehmung) und dieFarbwahrnehmung. Er veröffentlichte seineLehre vom Lichtsinn in Wien als Monographie 1874, in Buchform 1878. Er wandte sich damit gegen ein ausschließlich physikalisches Verständnis der Farbwahrnehmung. Auf Hering geht dieGegenfarbtheorie zurück, auf der z. B. dasNatural Color System beruht. Anders alsHermann von Helmholtz, der eineDreifarbenlehre (Grundfarben Rot, Grün, Blau) vertrat, vertrat Hering mit der Gegenfarbtheorie eine Vierfarbenlehre (Gegenfarben Rot/Grün und Gelb/Blau). Beide Theorien beanspruchen heute gleichberechtigt Gültigkeit; die Dreifarbenlehre erklärt die Mechanismen auf der Ebene derFotorezeptoren der Netzhaut, die Vierfarblehre auf der Ebene der nachgeschalteten (farb-antagonistischen)Ganglienzellen der Netzhaut.
Auch beschäftigte sich Hering mit dem ThemaOptische Täuschungen. Nach ihm benannt wurde die sog.Hering-Täuschung.[3]
Sein SohnHeinrich Ewald Hering ergriff den gleichen Beruf wie sein Vater und gelangte darin ebenfalls zu Bedeutung.Sein Onkel war der MedizinerConstantin Hering, sein Großvater der KomponistCarl Gottlieb Hering, auch viele weitere Verwandte machten sich einen Namen als Schriftsteller, Musiker und Komponisten.
Ewald Herings Modell, wie ein Linienversatz in einerNoniusanordnung in einem Rezeptoren-Mosaik kodiert sein könnte. Die mitc markierten Rezeptoren senden einen (in horizontaler Richtung) anderen Positionskode als die mita undb markierten.[8]
Hering verfasste weiterhin einen wegweisenden Erklärungsansatz zum Verständnis derNoniussehschärfe (s. a.Minimum discriminibile; Engl.: Vernier acuity oder Hyperacuity[9]), d. h. eines visuellen Auflösungsvermögens bei geeigneten Sehaufgaben, das gegenüber der normalen Sehschärfe um fast eine Größenordnung höher liegt. In seiner 1899 erschienenen Abhandlung „Ueber die Grenzen der Sehschärfe“[8] wies er – auf der Grundlage von Daten vonAlfred Wilhelm Volkmann (1863) und Berichten von Ernst Anton Wülfing (1892) – darauf hin, dass die dabei aufgelösten Abstände auf derNetzhaut wesentlich kleiner als die kleinstenFotorezeptorabstände sind.[10]Anhand einer Veranschaulichung einer Nonius-Sehaufgabe, mit zwei leicht gegeneinander versetzten Kanten vor einem schematisierten Rezeptormosaik, argumentierte er, dass mithilfe eines Integrationsmechanismus überkleinste Augenbewegungen hinweg die Positionsinformation mit weit höherer Genauigkeit kodiert werden kann, als es mit einer einzelnen Fotorezeptorzelle möglich wäre – eine Erklärung, die auch heute noch im Grundsatz aufrechterhalten wird.[8][11][12][13]
Zur Lehre von der Beziehung zwischen Leib und Seele : I. Mittheilung: Über Fechner's psychophysisches Gesetz. In: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe / Abteilung III, Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere sowie theoretische Medizin, 72, S. 310–348, 1875
Grundzüge einer Theorie des Temperatursinns. In: Sitzungsberichte / Akademie der Wissenschaften in Wien, Mathematisch-Naturwissenschaftliche Classe, Abteilung III, Anatomie und Physiologie des Menschen und der Tiere sowie theoretische Medizin, 75, S. 101–135, 1877
Zur Lehre vom Lichtsinne. Sechs Mittheilungen an die Kaiserl. Akademie der Wissenschaften in Wien. Zweiter, unveränderter Abdruck. Gerold, Wien 1878. (Digitalisat und Volltext imDeutschen Textarchiv)
Ueber die Grenzen der Sehschärfe. Berichte über die Verhandlungen der Königlich-Sächsischen Gesellschaft der Wissenschaften zu Leipzig/Mathematisch-Physische Classe; Naturwissenschaftlicher Teil, 51, 16–24, 1899.
Christian Baumann:Der Physiologe Ewald Hering (1834–1918). Curriculum vitae. Hänsel-Hohenhausen, Frankfurt a. M. 2002,ISBN 3-8267-1216-1.
Werner E. Gerabek:Hering, Karl Ewald Konstantin. In: Werner E. Gerabek, Bernhard D. Haage,Gundolf Keil, Wolfgang Wegner (Hrsg.):Enzyklopädie Medizingeschichte. De Gruyter, Berlin/New York 2005,ISBN 3-11-015714-4, S. 572.
Holger Münzel:Max von Frey. Leben und Wirken unter besonderer Berücksichtigung seiner sinnesphysiologischen Forschung. Würzburg 1992 (=Würzburger medizinhistorische Forschungen. Band 53), S. 188 f. (Ewald Hering).
↑Holger Krahnke:Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751–2001 (=Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, Philologisch-Historische Klasse. Folge 3, Bd. 246 =Abhandlungen der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, Mathematisch-Physikalische Klasse. Folge 3, Bd. 50). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2001,ISBN 3-525-82516-1, S. 111.
↑abcHans Strasburger, Jörg Huber, David Rose:Ewald Hering (1899) On the Limits of Visual Acuity: A Translation and Commentary. With a Supplement on Alfred Volkmann (1863) Physiological Investigations in the Field of Optics. In:i-Perception. 9. Jahrgang,Nr.3, 2018,S.1–14 (sagepub.com).
↑Gerald Westheimer:Visual acuity and hyperacuity. In:Investigative Ophthalmology and Visual Science. 14. Jahrgang, 1975,S.570–572.
↑”Im Jahre 1892 zeigte Wülfing, dass man Lagenunterschiede zu erkennen vermag, denen ein Gesichtswinkel von 12—10“ oder noch weniger entspricht. (Hering 1899, S. 17)
↑Gerald Westheimer:Hering Hermeneutics: Supplement to Translation and Commentary of Hering (1899) by Strasburger et al. In:i-Perception. 9. Jahrgang,Nr.6, 2018,S.1–5,doi:10.1177/2041669518815921.
↑H. Jiang, N. Cottaris, J. Golden, D. Brainard, J. E. Farrell, B. A. Wandell:Simulating retinal encoding: Factors influencing Vernier acuity. In:Human Vision and Electronic Imaging. 2017. Jahrgang, 2017,bioRxiv:2017/02/17/109405 (Preprint-Volltext),S.177–181.
↑M. Rucci, R. Lovin, M. Poletti, F. Santini:Miniature eye movements enhance fine spatial detail. In:Nature. 447. Jahrgang, 2007,S.851–854 (bu.edu [PDF]).