Eritrea ([ʔeʁiˈtʁeːa];TigrinyaኤርትራErtra,Erətra oderErtəra,[8]arabisch إرتريا Iritriyā) ist ein Staat im nordöstlichenAfrika. Er grenzt im Nordwesten an denSudan, im Süden anÄthiopien, im Südosten anDschibuti und im Nordosten an dasRote Meer. Ein Viertel der knapp vier Millionen Einwohner zählenden Bevölkerung Eritreas konzentriert sich auf die Hauptstadtregion vonAsmara, dieweiteren Städte sind deutlich kleiner.
Seit dieEritreische Volksbefreiungsfront die Eigenstaatlichkeit erkämpft hat, regiert PräsidentIsaias Afewerkiautoritär in einem Ein-Parteien-System der aus der Unabhängigkeitsbewegung hervorgegangenenVolksfront für Demokratie und Gerechtigkeit das Land. Andere Parteien als die PFDJ sind verboten, die Meinungs- undPressefreiheit ist stark eingeschränkt. In Eritrea existieren weder ein Parlament noch unabhängige Gerichte. In den letzten 33 Jahren gab es daher keine nationalen Wahlen. Das Land ist das weltweit einzige ohne Staatsverfassung.[9] Es herrscht ein strenges Wehrdienst- und Zwangsarbeitssystem. Regelmäßig kommt es zu schwerwiegenden Verletzungen derMenschenrechte. Häufig wird Eritrea als „dasNordkorea Afrikas“ bezeichnet. Vor dem Regime flohen in der Vergangenheit und anhaltend viele Menschen ins Ausland.
Der Landesname leitet sich von seinem griechischen NamenἘρυθραίαErythraíā ab, der auf die Bezeichnungἐρυθρὰ θάλασσαerythrà thálassa, deutsch‚rotes Meer‘, zurückgeht und früher alsErythräaeingedeutscht wurde. Die EigenbezeichnungErtra (ausAltäthiopischbahïrä ertra, „Rotes Meer“) bezieht sich ebenfalls auf diese alte griechische Bezeichnung des Roten Meeres.
Im Hochland des Landesinneren, das Teil desHochlandes von Abessinien ist, fallen jährlich bis zu 600 Millimeter Regen, vor allem in der Zeit von Juni bis September. Die meisten größeren Städte Eritreas finden sich im Hochland, auf über 1.600 Metern über dem Meer. Im südlichen Hochland befinden sich die wenigen fruchtbaren Regionen des Landes, wie die Gegend vonMendefera, das Umland vonBadme und das Grenzdreieck mitÄthiopien und demSudan in der RegionGash-Barka. Auch die höchste Erhebung des Landes, derDega mit 3.047 Metern, südöstlich vonAsmara, liegt im Hochland von Abessinien.
Im Westen des Landes hat Eritrea auch Anteil an derSahara: westlich des FlussesBarka und nördlich des FlussesGash setzt sich dieöstliche Sahara vom Sudan her fort und endet mit dem Anstieg zum Hochland von Abessinien.
Die beinahe wüstenartige Trockensavanne amRoten Meer ist sehr heiß und trocken. Der Bereich der Küstenebene zwischenMassaua und der Grenze zum Sudan im Norden wird teilweise noch mit zur Sahara gerechnet.
Der gesamte Südosten Eritreas dagegen ist Teil derDanakil-Wüste, einer der heißesten und trockensten Wüsten der Welt. ImAfar-Dreieck liegt die Danakil-Senke, in der sich mit 110 Metern unter dem Meeresspiegel der tiefste Punkt des Landes befindet. Die Landesfläche von Eritrea beträgt 117.600 km², was etwa einem Drittel der Fläche Deutschlands entspricht.
Die Anzahl der Einwohner wurde lange deutlich zu hoch angegeben. Noch für das Jahr 2017 wurde die Einwohnerzahl bei denVereinten Nationen mit 5,1 Millionen[4] und imCIA World Factbook mit 5,9 Millionen angegeben.[12] Kurz darauf haben die Vereinten Nationen all ihre Zahlen für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft deutlich nach unten korrigiert und schätzen seither für 2017 nur noch etwa 3,4 Millionen Einwohner, für 2022 etwa 3,7 Millionen.[13][14] Das CIA World Factbook ist der UN-Korrektur noch nicht gefolgt und schätzt 6,23 Mio. Einwohner für 2023.
Im internationalen Vergleich ist die Versorgungsquote mit Verhütungsmitteln in Eritrea schlecht. Es ist daher von einem starken Bevölkerungswachstum betroffen, welches zu einem großen Teil auf ungeplanten Schwangerschaften beruht. So hatten nach Angaben derDeutschen Stiftung Weltbevölkerung im Jahr 2015 nur 7 % der verheirateten Frauen Zugang zu modernen Verhütungsmitteln.[15] Es wird daher Stand 2022 von den Vereinten Nationen geschätzt, dass sich die Bevölkerung von 4 Mio. im Jahr 2025 auf 8 Mio. im Jahr 2080 verdoppeln wird.
In Eritrea gibt es neun größere ethnische Gruppen. Das größte Volk des Landes sind dieTigrinya (55 Prozent, nach anderen Angaben 50 Prozent[16]). Sie leben auch in Äthiopien in der RegionTigray. Ihre SpracheTigrinya ist neben dem Arabischen Amtssprache Eritreas. Die Volksgruppe, die in Eritrea Tigrinya genannt wird, entspricht sprachlich und kulturell denTigray in Äthiopien. Die äthiopischen Tigray und eritreischen Tigrinya sind aber aufgrund einer über längere Zeit getrennt verlaufenden politischen Geschichte nicht mehr als eine einheitliche Gruppe zu betrachten. Historisch bezeichneten sie sich selbst alsHabescha. Schon vor der Kolonialzeit waren die Tigrinya-Sprecher überaus vielgestaltig in Form verschiedener autonomer Provinzen und Abstammungsgruppen und politisch nur selten vereint.
Das zweitgrößte Volk sind dieTigre (30 Prozent). Zu den größeren Volksgruppen zählen noch dieSaho (4 Prozent), dieBilen (2 Prozent) und dieRashaida (2 Prozent). Auch dieKunama machen zwei Prozent der Einwohner aus. Die kleinen ethnischen GruppenSokodas undIliit an der sudanesischen Grenze betrachten sich als Kunama, sind aber geographisch und linguistisch getrennt (sie sprechen Dialekte desIlit-Sokodas, auch West-Kunama genannt).[17]
Die Minderheit derBedscha wird offiziell alsHedareb bezeichnet, was auch als Name einer Untergruppe verwendet wird.[2] Weitere Minderheiten sind dieNara und dieAfar. Außerdem gibt es sehr kleine Gruppen westafrikanischen Ursprungs (meistHaussa-Sprecher), die in EritreaTokharir genannt werden.Die Informationslage in diesem Bereich ist dürftig. Außerdem leben inzwischen 500.000 bis eine Million Eritreer, zumeist orthodoxe Tigrinya, im Ausland, was etwa einem Fünftel der Bevölkerung entspricht. Seit 2015 zählt Eritrea nebenNigeria undSomalia als Hauptherkunftsland afrikanischer Flüchtlinge in Europa (siehe auchFlüchtlingskrise in Europa 2015/2016#Subsahara-Afrika). Mit nur 0,3 % der Bevölkerung im Jahre 2017, zählt die Ausländerquote zu den niedrigsten weltweit.[18][19] Zahlreiche im Ausland lebende politische Flüchtlinge sind wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Eine verschwindend kleine Minderheit bilden europäischstämmige Eritreer, hauptsächlich im 19. Jahrhundert eingewanderteItaliener.
Die Bevölkerung Eritreas teilt sich offiziell zu fast gleichen Teilen[20] inMuslime (Sunniten) undChristen (Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche,Eritreisch-Katholische Kirche,Protestanten). Der vom USState Department herausgegebeneInternational Religious Freedom Report ging für das Jahr 2007 von 50 Prozent Muslimen und 48 Prozent Anhängern desChristentums in Eritrea aus,[21] für das Jahr 2006 noch von 60 Prozent Muslimen und 37 Prozent Christen.[22] DieAssociation of Religion Data Archives beziffert 50,15 Prozent Muslime und 47,91 Prozent Christen.[23] Daneben bestehen einige kleine einheimischetraditionelle Religionen. Trotz der sehr unterschiedlichen Anschauungen und des daraus resultierenden Konfliktpotenzials bildet die Bevölkerung eine nationale Einheit. Die Christen leben vorwiegend in der Hochebene um Asmara und die muslimischen Teile der Bevölkerung hauptsächlich im Tiefland und in Küstennähe.
In den letzten Jahren kam es zur systematischen Verfolgung nicht anerkannter christlicher Minderheiten durch die Regierung, weil diese nicht den ideologischenParadigmen der Regierungsseite entsprechen.[24]Evangelikale Nachrichtenagenturen aus den USA berichten inzwischen regelmäßig von Christenverfolgungen im Land.[25] Amnesty International gab an, Angehörige staatlich verbotener Minderheitenkirchen seien bei extremer Hitze unter Erstickungsgefahr in Frachtcontainern gefangen gehalten worden.[26]
Die neun Sprachen der neun größten Ethnien gelten formell als gleichberechtigteNationalsprachen.[27] Diese sindTigrinya (2,3 Millionen Sprecher),Tigre (800.000),Afar (300.000),Saho,Kunama,Bedscha,Blin,Nara (je rund 100.000) undArabisch, das von denRashaida als Muttersprache und von etlichen anderen Eritreern als Zweitsprache gesprochen wird. Der Staat fördert die Verwendung dieser Sprachen in den Schulen bei den jeweiligen Volksgruppen und in Sendungen des nationalen Radiosenders.[2]
Es gibt keine offiziell festgelegteAmtssprache.De facto dienen aber vorwiegend Tigrinya und Arabisch – die auch alsVerkehrssprachen weit verbreitet sind – sowie Englisch als Arbeitssprachen der Regierung.[2][28]Italienisch, ein Erbe der Kolonialzeit, wird vor allem von der älteren Bevölkerung verstanden. Viele Schilder und Läden inAsmara sind auch auf Italienisch beschriftet. Tigrinya und Italienisch werden in der Wirtschaft, im Handel und im Gewerbe am häufigsten gebraucht.[3] Es existiert zudem eine Schule in Asmara, in der Italienisch gelehrt wird – dieScuola Italiana di Asmara.[29] Italienisch verliert allerdings an Bedeutung, während die Verbreitung des Englischen zunimmt.[28]
DasDahalik, das auf Inseln desDahlak-Archipels von einigen Tausend Personen gesprochen wird, wurde früher als Dialekt des Tigre betrachtet, ist aber nach neueren linguistischen Erkenntnissen eine eigenständige semitische Sprache.[2]
Bezüglich dem Alphabetisierungsgrad gibt es unterschiedliche Angaben. Während teilweise ein Alphabetisierungsgrad von 93 % für Menschen zwischen 15 und 24 Jahren im Jahr 2015 (einer der höchsten inSubsahara-Afrika)[30] angegeben wird, gehen andere Quellen von 75 % im Jahr 2018 aus.[31] In ruralen Gemeinschaften und bei Nomaden ist die Alphabetisierung aufgrund schlechten Zugangs zu Schulen deutlich geringer als in dichter besiedelten Gebieten.[31]
Während die Schüler in der Grundschule in ihrer jeweiligen Muttersprache unterrichtet werden, wechselt die Unterrichtssprache ab der 6. Klasse zu Englisch. Die Schüler sind jedoch in der Regel schlecht auf den Wechsel zum englischsprachigen Unterricht vorbereitet.[32]
Das 12. Schuljahr findet für alle Schüler verpflichtend imMilitärcamp Sawa statt. An den Militärdienst schließt sich für den Großteil der Absolventen der zivile Nationaldienst („Community Service“) an, der z. B. in der Verwaltung, im Bildungswesen oder in nationalen Entwicklungsprojekten abgeleistet und oft als Zwangsdienst bezeichnet wird. Die Schüler mit den besten Leistungen dürfen studieren und werden ihren Studienfächern zugeteilt. Nach der Schließung derUniversität Asmara im Jahr 2004 wurden Bildungseinrichtungen in verschiedenen Teilen des Landes aufgebaut, unter anderem dasEritrea Institute of Technology in der Nähe von Asmara und das College of Marine Sciences & Technology in Massawa.[33]
Das Gesundheitswesen wird maßgeblich vom Staat finanziert und ist für Personen mit Armutsausweis kostenlos.[34]
Die Lebenserwartung wird für 2010–2015 auf 63,4 Jahre geschätzt.[35] Die Fruchtbarkeitsrate lag 2012 bei 4,7 Kindern pro Frau.[36] DieKindersterblichkeit liegt bei 74 auf 1000 Lebendgeburten, womit Eritrea auf dem 51. Platz weltweit liegt.[37] Die Müttersterblichkeit konnte zwischen 1990 und 2013 um 75 % gesenkt werden.[38]
2002 waren noch fast 89 % der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren von derWeiblichen Genitalverstümmelung betroffen, nach 94,5 % im Jahr 1995. Deutlicher zeigte sich der Erfolg der Aufklärungsarbeit an der 2002 auch erhobenen Prävalenz unter den Töchtern, je nach Bildungsstand der Mütter 40 % bis 67,5 %, im Mittel 62,5 %.[39] Am 31. März 2007 trat ein gesetzliches Verbot der Frauenbeschneidung in Kraft.[40]
Eritreas Medien sind staatlich. Es gibt die ZeitungNeues Eritrea (ሓዳስ ኤርትራḤaddas Erətra =ارتريا الحديثة Iritriya 'l-ḥadīṯa =ኤሪትርየ ሐዳስEritrəya ḥaddas),[43] die HörfunksenderStimme der Massen (ድምጺ ሓፋሽDəmṣi ḥaffaš =صوت الجماهير Ṣaut al-ǧamāhīr),Zara FM undRadio Numa[44] sowie den FernsehsenderERi-TV.[45]
In Eritrea findet Zensur statt, einePressefreiheit in dem Land gibt es nicht. Sämtliche Medien werden vom Ministerium für Information kontrolliert. Der staatliche Rundfunk Eri-TV und die einzige Nachrichtenagentur sitzen im selben Gebäudekomplex wie das Informationsministerium. Zwar gibt es Internet, jedoch kommt laut Spiegel die amtlich verlangsamte Übertragungsgeschwindigkeit von 0,1 MBit pro Sekunde „einer Zensur gleich“.[46] Auf derRangliste der Pressefreiheit der NGOReporter ohne Grenzen belegt das Land regelmäßig einen der letzten Plätze.[47]
DasFiat-Tagliero-Gebäude in Asmara, ein typisches Beispiel für die futuristische italienische Kolonialarchitektur der 1930er Jahre
Seit der historisch erforschten Frühzeit um 500 v. Chr. herrschten verschiedene Mächte über das Land. Auf dem heutigen Staatsgebiet befand sich dasAksumitische Reich. Während des Mittelalters unterstand das christliche Hochland den äthiopischen Kaisern, in den Küstengegenden herrschten lokale Fürsten. Mit der Eroberung durch die Osmanen wurde Eritrea 1554 für mehr als 300 Jahre zur ProvinzHabeş Eyaleti desOsmanischen Reiches. Während dieser Zeit wurden insbesondere die deräthiopisch-orthodoxen Kirche angehörenden Einwohner der Küstengegenden islamisiert. Die Hauptstadt auf dem Gebiet Eritreas warMassaua.
Seit 1870 bzw. 1882 war dieBucht von Assab italienisch, doch erst nach der Besetzung Massauas (1885) und Asmaras (1889) wurde daraus 1890 eineitalienische Kolonie unter dem neu geschaffenen NamenColonia Eritrea.
Nach demÜberfall Italiens auf Äthiopien wurde Eritrea 1936 in das neu gegründeteItalienisch-Ostafrika eingegliedert. Es erhielt große Gebiete Nordäthiopiens dazu; so wurde der größte TeilTigrays Teil von Eritrea. 1941 wurde Italienisch-Ostafrika durch alliierte Streitkräfte besetzt. Das Gebiet Eritreas wurde unter die britische Militärverwaltung gestellt und 1947 – nach der formellen Aufgabe Eritreas durch Italien – britisches Mandatsgebiet.
Flagge Eritreas als autonome Region des Kaiserreichs Äthiopiens bis 1961
In einer Resolution 289 (IV) vom 21. November 1949 stimmte dieUN-Generalversammlung mit 48 Stimmen bei einer Gegenstimme (Äthiopien) und neun Enthaltungen dafür, eine Kommission aus VertreternBurmas, Guatemalas, Norwegens, Pakistans und derSüdafrikanischen Union nach Eritrea zu entsenden, die einen Bericht erstellen sollte. Diese Kommission lieferte im Juni 1950 ihren Bericht ab, konnte sich allerdings nicht auf eine gemeinsame Empfehlung einigen (der Vertreter Norwegens sprach sich für die vollständige Integration Eritreas in Äthiopien aus, die Vertreter Südafrikas und Burmas befürworteten eine Föderation mit Äthiopien, die Vertreter Guatemalas und Pakistans waren für eine vorübergehende UN-Treuhänderschaft mit dem Ziel einer vollständigen Unabhängigkeit Eritreas). Am 2. Dezember 1950 nahm die UN-Generalversammlung die Resolution 390 (V) mit 46 Stimmen bei zehn Gegenstimmen und vier Enthaltungen an, die eine Föderation Eritreas mitÄthiopien vorsah. Am 25. und 26. März 1952 (sowie in zwei Wahlkreisen am 12. Mai 1952) fand unter der Aufsicht der UN die erste Wahl zur 68 Abgeordnete umfassenden gesetzgebenden Versammlung Eritreas statt. Bei der Wahl erreichte keine politische Partei die absolute Mehrheit. 66 der 68 Sitze wurden von drei politischen Gruppierungen eingenommen: 32 Unionisten und liberale Unionisten, 19 Abgeordnete der Demokratischen und Unabhängigkeitsfront (Muslimliga und andere), sowie 15 Abgeordnete der Muslimliga der Westprovinz. Der am 10. Juli 1952 von der Versammlung beschlossene Verfassungsentwurf wurde am 11. August 1952 von KaiserHaile Selassie ratifiziert, womit die Föderation Eritreas mit Äthiopien am 11. September 1952 formell in Kraft trat.[48]
In den folgenden Jahren kam es jedoch zu Entwicklungen, die zeigten, dass das Föderationsmodell nicht von Dauer war. 1956 führten die äthiopischen BehördenAmharisch als Amtssprache in Eritrea ein, obwohl die eritreische Verfassung hierfür Arabisch und Tigrinya vorgesehen hatte. Die eritreische Flagge wurde verboten und 1959 das äthiopische Rechtssystem in Eritrea eingeführt. Im November 1962 ließ Kaiser Haile Selassie die eritreische gesetzgebende Versammlung auflösen und erklärte offiziell den Föderationsstatus von Eritrea für nichtig, so dass Eritrea danach den Status einer gewöhnlichen Provinz Äthiopiens hatte. Der Widerstand gegen die äthiopische Herrschaft wurde in den Anfangsjahren vor allem von derEritreischen Befreiungsfront (ELF,Eritrean Liberation Front) getragen, die ihre Hauptunterstützung von den muslimischen Bewohnern im westlichen Flachland erhielt. 1961 nahm die ELF den bewaffneten Kampf auf. Aufgrund von Streitigkeiten innerhalb der ELF kam es in den ersten Jahren der 1970er zur Bildung derEritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF,Eritrean People’s Liberation Front), die danach zur dominierenden Widerstandsbewegung aufstieg.[48]
Sturz der Monarchie in Äthiopien und Mengistu-Regime
Am 12. September 1974 wurde Kaiser Haile Selassie durch einen Militärputsch gestürzt. Wenig später etablierte sich ein Militärregime unterMengistu Haile Mariam, das den Krieg gegen die Rebellen in Eritrea verschärfte. Anfänglich erzielten die Äthiopier mit Unterstützung durch Waffenlieferungen aus der Sowjetunion Erfolge. Eine großangelegte Offensive zur vollständigen Eroberung Eritreas 1982 scheiterte jedoch. Die EPLF konnte dabei große Waffenarsenale der äthiopischen Armee erbeuten und in der Folgezeit effektive Gegenoffensiven starten. Die EPLF stand in der Zeit des Mengistu-Regimes im Bündnis mit zahlreichen anderen Widerstandsbewegungen, unter anderem mit derTigray-Befreiungsfront (TPLF,Tigre People’s Liberation Front). Die Vereinten Nationen versuchten mehrfach erfolglos, in diesen Konflikten zu vermitteln.[48]
DerUnabhängigkeitskrieg endete nach dreißig Jahren 1991 mit dem Sieg derEritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) und verschiedener weiterer äthiopischer Rebellengruppen (u. a. dieEPRDF) und der Entmachtung des äthiopischenDerg-Regimes. Die EPRDF bildete eineneue Regierung und erlaubte die Unabhängigkeit Eritreas. Diese wurde nach einer durch die UN überwachten Volksabstimmung am 24. Mai 1993 erklärt, bei der 99,83 Prozent der Teilnehmer für die Unabhängigkeit stimmten.[48] Dieser Tag ist seither Nationalfeiertag Eritreas.
UNMEE-Soldaten auf Patrouille in Eritrea
In den darauffolgenden Jahren verschlechterten sich die Beziehungen zwischen Äthiopien und Eritrea. 1998 brach einGrenzkrieg der beiden Staaten aus, der in einer Pattsituation endete. Seitdem war dieUN-BeobachtermissionUNMEE in der Grenzregion stationiert, um den rechtmäßigen Grenzverlauf zu markieren.
Im Jahr 2002 empfahl eine unabhängige Grenzkommission die neuen Staatsgrenzen. Im Rahmen eines Schiedsspruches der Äthiopisch-Eritreischen Grenzkommission desStändigen Schiedshofs in Den Haag[49] unterzeichneten Äthiopien und Eritrea das Abkommen, in dem sich beide zur Anerkennung des Grenzverlaufs bereiterklärten. Tatsächlich bestehen jedoch weiterhin Differenzen, zumal keine der beiden Seiten alle Ansprüche erfüllt bekam. Das umstrittene Gebiet umBadme wurde der eritreischen Seite zugesprochen, Äthiopien protestierte daraufhin und verlangte eine sofortige Korrektur des Schiedsspruchs. Bis 2018 konnte daher die Umsetzung der Grenzdemarkierung nicht wie vereinbart vollzogen werden. Sämtliche UN-Truppen, die eigentlich zur Friedenssicherung abgestellt worden waren, wurden von eritreischer Seite aus Protest gegen die äthiopische Blockadehaltung massiv in ihren Arbeiten behindert.[50] 2008 entschied derSicherheitsrat der Vereinten Nationen, das Mandat der UNMEE nicht weiter zu verlängern.
Am 5. Juni 2018 erklärte die äthiopische Regierung ihre Bereitschaft, die Regelungen des Grenzabkommens von 2002 zu akzeptieren. Dazu gehöre auch die Übergabe Badmes an Eritrea.[51] Am 8. Juli 2018 erklärte Äthiopiens RegierungschefAbiy Ahmed, dass Äthiopien und Eritrea wiederdiplomatische Beziehungen aufnehmen.[52] Zugleich wurde einFriedensvertrag zwischen den beiden Ländern geschlossen.[53]
Eritrea besitzt offiziell eine demokratische Verfassung, ist jedoch de facto seit der Unabhängigkeit von Äthiopien eine Diktatur von StaatspräsidentIsayas Afewerki. Wahlen finden auf regionaler und nationaler Ebene statt (Baito), bei der jedoch die meisten Parteien nicht zugelassen werden. Der Präsident ist Staatsoberhaupt undOberbefehlshaber derStreitkräfte.
Das Staatsoberhaupt und der Regierungschef sind die höchsten Instanzen dereritreischen Übergangsregierung. Zusammen mit der 24-köpfigen Staatsvertretung, bestehend aus 16 Ministern und weiteren Staatsvertretern, bilden sie dieExekutive Eritreas.
DieLegislative wird von einer 150 Mitglieder umfassendeneritreischen Nationalversammlung gebildet. Von den 150 sind 75 Mitglieder des Zentralkomitees derVolksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ) und 75 Volksvertreter, die direkt vom Volk gewählt werden. Unter diesen 75 Vertretern des Volkes müssen elf Frauen und 15 Emigranten sein. Die Nationalversammlung wählt den Präsidenten, erlässt Gesetze und Verordnungen und kümmert sich um deren Einhaltung.Da Eritrea ab 1952 Teil von Äthiopien war, nahmen Eritreerinnen und Eritreer an den äthiopischen Wahlen von 1957 auf der Basis eines ab dem 4. November 1955 in Äthiopien geltenden allgemeinen aktiven und passiven Wahlrechts teil.[54] Damit war dasFrauenwahlrecht Gesetz. Nach der Unabhängigkeit von 1993 sah die Verfassung von 1997 ein allgemeines Wahlrecht für die Wahlen zur Nationalversammlung und für die Präsidentschaftswahlen vor.[55]
Die reguläreGerichtsbarkeit Eritreas besteht aus einem Obergericht mit fünf Standorten, 36 Regionalgerichten und etwa 368 Gemeindegerichten; daneben gibt es eine Sonder- und eine Militärgerichtsbarkeit.[56]
Die Politik Eritreas wird von derVolksfront für Demokratie und Gerechtigkeit (PFDJ) dominiert. Die Volksfront für Demokratie und Gerechtigkeit, die aus der früheren bewaffneten Unabhängigkeitsbewegung derEritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) hervorgegangen ist, nimmt mit ihrem ParteivorsitzendenIsayas Afewerki auch gleichzeitig den Posten des Staatspräsidenten und Regierungschefs in Anspruch. Eritrea gilt daher alsEinparteienstaat. Auch wenn von offizieller Seite bekräftigt wird, dass man sich für ein Parteiengesetz einsetze, sind diese Behauptungen eher kritisch zu sehen. Neben der PFDJ gibt es noch eine Reihe anderer politischer Parteien im Lande, die aber alle nicht zu Wahlen zugelassen sind.
Innerhalb des Landes gibt es noch einige oppositionelle Splittergruppen, die aber bisher keinen Einfluss auf die Politik des Landes nehmen konnten:
Aufgrund andauernder Menschenrechtsverletzungen wurde im Oktober 2012 Sheila Keetharuth zurSonderberichterstatterin zur Situation der Menschenrechte für Eritrea der Vereinten Nationen ernannt. Ein erster Bericht[62] wurde demUN-Menschenrechtsrat im Zuge der Resolution 20/20 am 28. Mai 2013 vorgestellt. Darin stellte sie schwerwiegendeMenschenrechtsverletzungen wie willkürliche Tötungen und Verhaftungen, erzwungenesVerschwindenlassen, Folter sowie fehlende Meinungs-, Religions- und Versammlungsfreiheit fest.
Amnesty International zufolge werden Regierungskritiker, Deserteure und Eritreer, die im Ausland umAsyl ersucht haben, inhaftiert.[63] Insgesamt betrachten viele internationale Beobachter das politische System Eritreas als repressiv oder gar alsDiktatur.[64][65] Die Regierung hielt dem – vor Friedensgesprächen mit Äthiopien im Jahr 2018 – entgegen, dass sich Eritrea im Übergang zur Demokratie befinde, von Äthiopien bedrängt werde und deswegen praktisch Kriegszustand herrsche. Ein Sturz der jungen Regierung würde dadurch verhindert.[66] In Eritrea saßen 2017 elf Journalisten in Haft.[67]
Staatlich anerkannt sind die orthodoxe, die katholische und die evangelisch-lutherische Kirche sowie der Islam. Nicht anerkannte religiöse Minderheiten wieevangelikale Christen und dieZeugen Jehovas sind besonders seit 2002 von staatlichen Repressionen und Inhaftierung betroffen.[68][69] Zu den wegen ihres Glaubens Inhaftierten gehörte Anfang 2008 auch eine Gruppe von etwa 70 Muslimen, die sich weigerten, den von der Regierung eingesetztenMufti als ihr Oberhaupt anzuerkennen.[70]
EinUNHCR-Bericht vom Juni 2015 konstatiert „systematische, weit verbreitete und schwere Menschenrechtsverletzungen“ (systematic, widespread and gross human rights violations).[71]
Die Haftbedingungen in den mindestens 37 teils geheimen, teils offiziellenInternierungslagern undMilitärgefängnissen sind prekär. Es kommt zu Folter, sexuellem Missbrauch und Gewalt. Es wird von Todesfällen berichtet.[34] Unter anderem wird auf der InselNakura ein Gefängnis betrieben, dessen Anfänge auf dieitalienische Kolonialzeit zurückgehen. Dasfaschistische Italien baute das Gefängnis ab 1936 zumKZ Nocra aus, die Anlagen werden auch heute noch vom eritreischen Regime als Gefängnis genutzt.[72] Bereits seit der Kolonialzeit ist das Gefängnis bzw. zwischenzeitliche Konzentrationslager in der gesamten Region für seine Brutalität und Menschenfeindlichkeit bekannt, zudem herrschen extreme klimatische Bedingungen.
Im jährlich veröffentlichtenWeltverfolgungsindex (WVI) vonOpen Doors, welcher die Länder mit der stärksten Christenverfolgung aufzeigt und analysiert, lag Eritrea 2022 an vierter Stelle.[73] Demnach gehört das Land zu denjenigen Ländern auf der Welt, in denen Christen aufgrund ihrer Religionszugehörigkeit am stärksten unterdrückt werden.
Das repressive politische System, die schwierige Wirtschaftslage und die Einberufungen zu zeitlich nicht begrenzterZwangsarbeit sorgen für vielFlucht aus dem Land.[42][46] Das hat zur Folge, dass Eritrea eines der Länder mit dem höchsten Anteil an außerhalb des Landes lebenden Staatsbürgern ist.[74] Etwa ein Fünftel der Bevölkerung lebt im Ausland.[75]
Die US-amerikanische staatsnahe NGOFreedom House charakterisierte Eritrea in ihrem Länderbericht 2019 als „hermetischen Polizeistaat“.[76] Häufig wird Eritrea als „dasNordkorea Afrikas“ bezeichnet.[77]
Die Beziehungen Eritreas zu seinen Nachbarstaaten sind angespannt. Eritrea wie Äthiopien werden beschuldigt, insbesondere seit 2006/2007 ihre Streitigkeiten nunmehr als „Stellvertreterkrieg“ inSomalia auszutragen. Äthiopien unterstützt dieÜbergangsregierung Somalias und intervenierte von Ende 2006 bis Anfang 2009 militärisch; Eritrea beherbergt Teile der somalischen Opposition im Exil. Vorwürfe, wonach es Islamisten und andere Gegner der Übergangsregierung illegal mit Waffen beliefert habe, hat es zurückgewiesen.[78][79] Die separatistischeOgaden National Liberation Front in Äthiopien hat Unterstützung von Eritrea erhalten.[80]
Im Ausland lebende Eritreer müssen eine „Aufbausteuer“ in Höhe von zwei Prozent ihres Bruttoeinkommens an den eritreischen Staat zahlen. Früher wurde diese von den Botschaften Eritreas in den jeweiligen Ländern erhoben, da Botschaften aber keine Steuern mehr eintreiben dürfen, müssen im Ausland lebende Eritreer jetzt entweder selbst in die Heimat reisen oder einen dort lebenden Verwandten mit der Zahlung beauftragen.[82] Bei Nichtbezahlung werden keine offiziellen Dokumente ausgestellt, es besteht keine Möglichkeit, Erbschaften anzutreten und Geschäftstätigkeiten aufzunehmen, zudem drohen Repressalien gegen im Land lebende Verwandte. Schüler, Studenten oder Arbeitslose sind von der Abgabe befreit. Diese Abgabe, die von hunderttausenden Auslandseritreern erhoben wird, auch wenn sie eine andere Staatsbürgerschaft besitzen, stellt eine der größten Geldquellen der eritreischen Regierung dar.[83][84]
Anfang Juli 2018 teilte Äthiopiens RegierungschefAbiy Ahmed nach einem Treffen mit dem eritreischen PräsidentenIsayas Afewerki in Asmara mit, dass nach jahrzehntelanger Feindseligkeit die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen vereinbart wurde. So ist geplant, Botschaften und Grenzen wieder zu öffnen sowie Flugverbindungen wiedereinzurichten und Häfen zugänglich zu machen. Der Anfang April 2018 neu gewählte Ministerpräsident Abiy Ahmed hatte bereits zu Beginn seiner Amtszeit eine Friedenslösung mit dem Nachbarland angestrebt. Anfang Juni 2018 hatte er angekündigt, den Beschluss einer von den Vereinten Nationen unterstützten internationalen Schiedskommission über den Grenzverlauf beider Länder aus dem Jahr 2002 „vollständig“ umzusetzen und sich aus den umstrittenen Gebieten zurückzuziehen.[85]
Der Tourismus im Land beruht weitestgehend auf wenigen Individualurlaubern, im Ausland lebenden eritreischen Bürgern auf Heimatbesuch und einer kleinen Anzahl ausländischer Reiseveranstalter, die mit in der Regel kleinen Gruppen das Land bereisen. Themengebiete sind unter anderem archäologische Studien, italienische Kolonialgeschichte, Reisen für professionelle Fotografen zu den ethnischen Gruppen des Landes und Reisen für Eisenbahnfans. Auch der Dahlak-Archipel ist mit organisierten Touren bereisbar. Klassischer Badeurlaub wird mangels einer geeigneten touristischen Infrastruktur aber kaum angeboten. Vereinzelte solcher Angebote für Touristen existieren zwar, zehn Kilometer nördlich von Massaua befindet sich mit demGurgussum Beach Resort beispielsweise eine in die Jahre gekommene Hotelanlage mit eigenem Strandabschnitt am Roten Meer. Aufgrund der außenpolitischen Situation, der Menschenrechtsbedingungen vor Ort und der allgemeinen wirtschaftlichen Isolation Eritreas liegt das Land jedoch fernab populärer Reiserouten, weshalb auch im beispielhaft genannten Hotelkomplex benötigte Investitionen seit längerem ausbleiben.
Etwa 75 % der Bevölkerung sind in derLandwirtschaft beschäftigt. Trotzdem müssenNahrungsmittel importiert werden, auch weil während des Krieges und darüber hinaus mindestens 300.000 Personen zum Militärdienst eingezogen waren[86] und daher Arbeitskräfte in der Landwirtschaft und anderen Wirtschaftsbereichen fehlten. DurchDürre und wirtschaftspolitische Inkompetenz der autoritären Regierung kam es zu schweren Hungersnöten.[87]
Durch die verschiedenen Klima- und Vegetationszonen Eritreas werden je nach Region unterschiedliche Produkte hergestellt. Typische Feldfrüchte sind:[88]
Teff, eine einheimische Getreideart, die im Hochland angebaut wird.
Es gibt Zement-, Textil- und Nahrungsmittelindustrie, darunter mehrere Brauereiunternehmen, Alkohol- und Weinproduktion. Eritrea verfügt über eine Vielzahl von Ersatzteil- und Möbelunternehmen. Seit einigen Jahren werden in der eritreischen IndustriestadtDekemhare Busse, Transport-, Reinigungs- undMüllwagen vom eritreischen UnternehmenTesinma produziert.
DerStaatshaushalt umfasste 2016 Ausgaben von umgerechnet 2,165 MilliardenUS-Dollar, dem standen Einnahmen von umgerechnet 1,580 Milliarden US-Dollar gegenüber. Daraus ergibt sich ein Haushaltsdefizit in Höhe von 10,9 Prozent desBIP.[1]
Die eritreische Regierung finanziert ihren Haushalt zum Teil aus der Diasporasteuer, die erhoben wird, wenn im Ausland lebende Eritreer Hilfsüberweisungen an ihre Verwandten in Eritrea tätigen. Die Steuer liegt bei zwei Prozent des Einkommens der Auslandseritreer.[42]
Im Jahr 2016 betrug die Staatsverschuldung 125,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) Eritreas.[89]
2006 betrug der Anteil der Staatsausgaben (in Prozent des BIP) folgender Bereiche:
DieStreitkräfte Eritreas sind aus derEritreischen Volksbefreiungsfront (EPLF) hervorgegangen, die für die Unabhängigkeit Eritreas vonÄthiopien kämpfte. Die Beziehungen Eritreas zum Ausland sind gespannt. Unter anderem bedingt durch dendreißigjährigen Unabhängigkeitskrieg gegen Äthiopien wird die Eigenständigkeit Eritreas stark betont, was zum Teil alsIsolationismus bezeichnet wird. Es kam in der jungen Geschichte des Landes zu mehreren Grenzkonflikten, insbesondere zumerneuten Krieg gegen Äthiopien 1998–2000. Das Militär in Eritrea nimmt eine große Rolle ein: Sowohl Männer als auch Frauen müssen in Eritrea einen unbefristeten Wehrdienst leisten, der lautAmnesty International einerZwangsarbeit gleichkommt.[91]Wehrdienstverweigerer werden strafrechtlich verfolgt, alsDeserteure gebrandmarkt[91] und setzen laut demUN-Menschenrechtsrat sich und ihre Familie Repressalien aus.[42] In Friedenszeiten droht ihnen eine Haftstrafe von bis zu fünf Jahren. In Kriegszeiten kann die Haftstrafe zwischen fünf Jahren bis lebenslänglich betragen und in schweren Fällen droht dieTodesstrafe.[91]
Die militärische Situation um den unbefristeten Wehrdienst gilt als hauptsächlicheFluchtursache für Flüchtlinge, die aus Eritrea versuchen, nach Europa zu gelangen.[92][42]
Nach der Normalisierung der Beziehungen zu Äthiopien 2018 griff Eritrea auf Seiten der äthiopischen Regierung in den 2020 ausgebrochenenTigray-Krieg ein.[93] Dabei wurden von Seiten der eingesetzten eritreischen StreitkräfteKriegsverbrechen begangen,[94] unter anderem dasMassaker von Aksum, bei welchem je nach Quelle zwischen 345 und 800 Zivilisten ermordet wurden.[95][96]
ImLogistics Performance Index, der von derWeltbank erstellt wird und die Qualität der Infrastruktur misst, belegte Eritrea 2018 den 155. Platz unter 160 Ländern.[97]
Das Straßennetz in Eritrea ist relativ gut ausgebaut. Allerdings wurde die von den Italienern sehr gut ausgebaute Infrastruktur zunächst von den Briten und später von den Äthiopiern weitestgehend zerstört, so dass heute nur noch ein kleiner Teil davon übriggeblieben ist. Die meisten Straßen sind Schotterpisten.
ZwischenMassaua undAsmara gibt es eineEisenbahnverbindung, auf der planmäßig aber nur ein Ausflugszug mit einer Dampflokomotive recht regelmäßig zwischen Asmara nachNefasit verkehrt. Zudem kommen immer wieder Sonderzüge für Eisenbahnfans auf die Strecke. Es wird erwogen, die historische Strecke zwischen Asmara undAgordat (westliches Tiefland) wieder aufzubauen.
Große Tiefwasserhäfen sind Massaua und Assab, inT'í'o befindet sich ein kleinerer Hafen im Aufbau.
Die größten internationalen Erfolge erzielten eritreische Sportler imLangstreckenlauf. Der wichtigste und am weitesten verbreitete Sport in Eritrea ist aber derRadsport. Er kam mit den italienischen Kolonialherren ins Land und 1946 wurde erstmals derGiro d’Eritrea ausgetragen. An den Wochenenden werden heute in Eritrea anspruchsvolle Straßenrennen abgehalten.[98] International bekannte Straßenradsportler sindDaniel Teklehaimanot,Natnael Berhane undMerhawi Kudus, die (Stand 2015) bei demsüdafrikanischenRadsportteamMTN-Qhubeka unter Vertrag stehen und Radrennen auf höchster sportlicher Ebene bestreiten. Im Jahr 2015 waren Teklehaimanot und Kudus die ersten Eritreer, die an derTour de France teilnahmen. In deren Verlauf trug Teklehaimanot sogar für mehrere Tage dasGepunktete Trikot des Führenden in derBergwertung, was auf den Straßen Asmaras mit einem Autokorso gefeiert wurde.[99] In jüngerer Zeit war neben Teklehaimanot auchAmanuel Ghebreigzabhier bei Profiteams in Europa unter Vertrag. Ebenso istBiniam Girmay ein bekannter Straßenradsportler, der bei derTour de France 2024 als erster schwarzer Afrikaner eine Etappe gewinnen konnte. Auch der wohl bekannteste eritreische Sportler,Zersenay Tadese, versuchte sich in seiner Jugend zunächst als Straßenradfahrer, bevor er zum Langstreckenlauf wechselte. Er ist mehrfacher Weltmeister und war bis Oktober 2018 Weltrekordhalter imHalbmarathonlauf.[100] Der jüngste Marathonweltmeister der Geschichte istGhirmay Ghebreslassie aus Eritrea. Erst 19-jährig gewann er den Marathon der Weltmeisterschaften im August 2015 in Peking.[101]
Aklilu Ghirmai:Eritrea zwischen Einparteienstaat und Demokratie. Die Bedeutung der Opposition im Demokratisierungsprozess. Tectum, Marburg 2005,ISBN 978-3-8288-8922-4.
Tanja R. Müller:Bare life and the developmental State: the Militarization of Higher Education in Eritrea. In:Journal of Modern African Studies. Band 46, Nummer 1, 2008, S. 1–21.
David O’Kane, Tricia Redeker Hepner (Hrsg.):Biopolitics, militarism, and development: Eritrea in the twenty-first century. Berghahn Books, Oxford/New York 2009,ISBN 978-1-84545-567-5.
Martin Plaut:Understanding Eritrea: Inside Africa's Most Repressive State. Oxford University Press, New York 2017,ISBN 978-0-19-066959-1.
↑Origins and Destinations of the World’s Migrants, 1990–2017. In:Pew Research Center’s Global Attitudes Project. 28. Februar 2018 (pewglobal.org [abgerufen am 30. September 2018]).
↑Für 1936 gab derKleine Weltatlas derDeutschen Buchgemeinschaft für die italienische Kolonie noch 57 ProzentMohammedaner und nur 39 Prozent Christen an (Seite 161). Auch die Unabhängigkeitsbewegung war in den 1970ern von Muslimen getragen (Meyers Enzyklopädisches Lexikon, Band 8, S. 119. Mannheim 1973/79).
↑Abdulkader Saleh, Nicole Hirt, Wolbert G.C. Smidt, Rainer Tetzlaff (Hrsg.):Friedensräume in Eritrea und Tigray unter Druck. Identitätskonstruktion, soziale Kohäsion und politische Stabilität. Lit, Münster 2008,ISBN 3-8258-1858-6, S. 119.
↑Magnus Treiber:Der Traum vom guten Leben. Die eritreische warsay-Generation im Asmara der zweiten Nachkriegszeit. Lit, Münster 2004,ISBN 3-8258-9054-6, S. 177.
↑abBartholomäus Grill:Flüchtlinge: Wie ist die Lage in Eritrea? In:Der Spiegel. 3. November 2017,ISSN2195-1349 (spiegel.de [abgerufen am 16. September 2023]).
↑abcdUnited Nations Department of Public Information (Hrsg.):The United Nations and the Independence of Eritrea (= The United Nations Blue Books Series.BandXII). 1996,ISBN 92-1100605-8 (englisch,online).
↑Abdulkader Saleh, Nicole Hirt, Wolbert G.C. Smidt, Rainer Tetzlaff (Hrsg.):Friedensräume in Eritrea und Tigray unter Druck. Identitätskonstruktion, soziale Kohäsion und politische Stabilität. Lit, Münster 2008,ISBN 3-8258-1858-6, S. 105.