Eine „Adolf-Hitler-Straße“ (im FotoTrier) erhält ihren alten Namen wiederUnter dem Adler über dem Eingang zum Robert-Piloty-Gebäude derTU Darmstadt wurde das Hakenkreuz entfernt
AlsEntnazifizierung (zeitgenössisch und veraltet auchEntnazisierung, Denazifizierung oderDenazifikation) bezeichnet man die ab Juli 1945 umgesetzte Politik derVier Mächte, die darauf abzielte, die deutsche und österreichische Gesellschaft, Kultur, Presse, Ökonomie,Justiz und Politik von allen Einflüssen desNationalsozialismus zu befreien. Deutschland und Österreich sollten umfassenddemokratisiert und vomMilitarismus befreit werden.[1]
Die Entnazifizierung umfasste den Bereich der personellen Säuberung in denBesatzungszonen durchSpruchkammerverfahren mit der Hauptsanktion Entlassung aus dem Amt bzw. Berufsverbot und dem Verbot der politischen Betätigung. Ziel war die Neubesetzung von Funktionen in Staat, Gesellschaft und Wirtschaft mit Unbelasteten sowie die finanzielleWiedergutmachung durch Sühnemaßnahmen (Vermögenseinziehung).
Bei der Entnazifizierung ging es vor allem darum, belastete Personen aus ihren Ämtern zu entfernen und zur Wiedergutmachung zu verpflichten. Im weiteren Sinn umfasst die Entnazifizierung auch die Aufhebung nationalsozialistischer Gesetze, das Verbot von Schriften und Symbolen sowie die Umbenennung von Straßen, die nach Nationalsozialisten benannt worden waren.[3]
Im Januar 1946 verabschiedete derAlliierte Kontrollrat in Berlin die Kontrollratsdirektive Nr. 24,[7] die in Art. 10 detailliert die Personengruppen definierte, die zwangsweise aus öffentlichen und halböffentlichen Ämtern und aus verantwortlichen Stellungen in bedeutenden privaten Unternehmen entfernt und durch solche Personen ersetzt werden sollten, „die nach ihrer politischen und moralischen Einstellung für fähig erachtet wurden, die Entwicklung wahrer demokratischer Einrichtungen in Deutschland zu fördern“. Dazu zählten an erster Stelle jene Personen, die auf der Kriegsverbrecherliste derAlliierten Kommission für Kriegsverbrechen standen, sodann hauptamtlich im Offiziersrang tätigeParteimitglieder, beispielsweise dieReichs- und Gauleiter sowie die hauptamtlich in denParteigliederungen sowie den angeschlossenen und den betreutenParteiverbänden tätige Personen, außerdem Beamte und Juristen.[8]
Personen, die als „überzeugte Anhänger des Nationalsozialismus voraussichtlich undemokratische Traditionen verewigen“ würden wie Berufsoffiziere derDeutschen Wehrmacht oder Personen, die diepreußische Junkertradition verkörperten, sollten gem. Art. 11 sorgfältig überprüft und gegebenenfalls nachErmessen entfernt werden. Art. 12 enthielt ermessensleitende Kriterien, die an die mehr als nur nominelle Mitgliedschaft in weiteren NS-Organisationen anknüpften wie die freiwillige Mitgliedschaft in derWaffen-SS oder die Mitgliedschaft in derHitlerjugend und demBund Deutscher Mädel mit Beitritt vor dem 25. März 1939. Außerdem sollten nahe Verwandte prominenter Nationalsozialisten nicht beschäftigt werden. Es sei „wesentlich, daß die leitenden deutschen Beamten an der Spitze von Provinzen, Regierungsbezirken und Kreisen erwiesene Gegner des Nationalsozialismus sind, selbst wenn dies die Anstellung von Personen nach sich zieht, deren Eignung, ihren Aufgabenkreis zu erfüllen, geringer ist“ (Art. 13).
Ausfüllen von Fragebögen in der britischen Zone zur Entnazifizierung bei Hamburg (1945)
Die alliierten Siegermächte hatten zwar auf der Potsdamer Konferenz allgemeine Grundsätze zur politischen Säuberung beschlossen, sich jedoch nicht auf gemeinsame Verfahren und Zielvorgaben geeinigt. JedeBesatzungsmacht ging mit unterschiedlicher Härte und verschiedenen Grundschemata vor. Nicht überall wurde mit Massenverhaftungen begonnen. Insgesamt zählte man allein in den drei westlichen Besatzungszonen ca. 182.000 Internierte, von denen bis zum 1. Januar 1947 allerdings ca. 86.000 aus den Entnazifizierungslagern entlassen wurden. Bis 1947 waren inhaftiert:[9]
Britische Zone 64.500 Personen (entlassen 34.000 = 53 %)
In den westlichen Zonen kam es zu 5025 Verurteilungen. Davon waren 806 Todesurteile, von denen 486 vollstreckt wurden.[10]
In den drei Westzonen wurde bis 31. Dezember 1949 über 2,5 Millionen Deutsche in überwiegend mitLaienrichtern besetztenSpruchkammerverfahren wie folgt geurteilt:
54 % Mitläufer,
bei 34,6 % wurde das Verfahren eingestellt,
0,6 % wurden als NS-Gegner anerkannt,
1,4 % Hauptschuldige und Belastete (Schuldige).
Viele der tief in die NS-Vergangenheit verstrickten Mitläufer konnten in derBundesrepublik Deutschland unbehelligt nach 1949 Karriere machen. So steigerte sich in den ersten vier Bundestagen (bis 1965) die Zahl ehemaliger Nationalsozialisten bis auf 25 % aller Mandate (siehe Grafik rechts).
Anzahl der Mandatsträger mit NS-Vergangenheit in den Bundestagen 1–13 (1949–1998)
MitPersilscheinen, die ihnen von (mutmaßlichen) Opfern für die beurteilenden Kommissionen undSpruchkammern ausgestellt wurden, gingen sie in die Politik, Justiz, Verwaltung, Polizei und an die Universitäten zurück; oft auch unter falschem Namen und häufig unter Mithilfe der Netzwerke(Rattenlinien) alter Kameraden oder von „Seilschaften“.[11] So waren zeitweise in den 1950er Jahren mehr als zwei Drittel der leitenden Mitarbeiter desBundeskriminalamtes ehemalige Mitglieder derSS.[12] Verstärkt wurde dieses Scheitern einer tatsächlichen Aufarbeitung der Vergangenheit noch dadurch, dass die amerikanische Außenpolitik ab 1946 ihren Fokus gegen die Sowjetunion gesetzt hatte (sieheKalter Krieg), während in der sowjetisch besetzten Zone kategorisch behauptet wurde, alle NS-Verbrecher seien ausschließlich im Westen zu finden. Die Briten hatten vornehmlich pragmatische Absichten zwecks eines möglichst raschen und reibungslosen Wiederaufbaus, und Frankreich tat sich selbst schwer mit der eigenenVergangenheitsbewältigung im Zusammenhang mit MarschallPétainsVichy-Regierung. Auch für Österreich lässt sich diese halbherzige Vorgehensweise nach dem Zusammenbruch des gemeinsamen Regimes nachweisen.[13]
Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946, kurzBefreiungsgesetz
Die US-Amerikaner betrieben inihrer Besatzungszone zunächst selbst eine engagierte und sehr bürokratische Entnazifizierung. Von jedem Erwachsenen ließen die Amerikaner Bögen mit 131 von ihnen erstellten Fragen ausfüllen, was eine umfassende Definition des Statusmandatory removal (= ‚entlassungspflichtig‘) ermöglichte. Bis Ende März 1946 wurden 1,26 von 1,39 Millionen Fragebögen durch dieSpecial Branch derOMGUS-Behörde ausgewertet.[14] Der SchriftstellerErnst von Salomon thematisierte diese Befragung in seinem 1951 erschienenen autobiografischen RomanDer Fragebogen.
Der spätere US-PräsidentDwight D. Eisenhower, 1945 Oberbefehlshaber der amerikanischen Truppen in Deutschland, schätzte die Zeit, die zur Entnazifizierung und zurUmerziehung zu demokratischen Idealen nötig wäre, auf rund 50 Jahre harter Arbeit ein. US Army GeneralLucius D. Clay, Militärgouverneur der amerikanischen Regierung in Deutschland von 1947 bis 1949, vertrat die Ansicht, die Besatzung müsse für mindestens eine Generation aufrechterhalten werden, wenn die vorgegebenen Ziele erreicht werden sollten.[15]
Mit derKontrollratsdirektive Nr. 38 vom 12. Oktober 1946 wurden diese fünf Kategorien allgemeinverbindlich für die vier Besatzungszonen.
Am 13. Mai 1946 fanden mit Genehmigung der US-amerikanischen Militärregierung (OMGUS) die erstenSpruchkammerverfahren zur Durchführung des Befreiungsgesetzes ihre Tätigkeit auf. 545 regional zuständige Spruchkammern, besetzt mit deutschen Laienrichtern, saßen unter amerikanischer Militäraufsicht über mehr als 950.000 Fälle individuell zu Gericht.[16] Die amerikanische Militärregierung hatte jedoch das Recht, im Einzelfall deutsche Entscheidungen zu korrigieren.
Unter den deutschen Politikern engagierte sich insbesondere der württemberg-badische „Entnazifizierungsminister“ (offiziell Minister für politische Befreiung)Gottlob Kamm in dieser Aufgabe. In Bayern wurde dasStaatsministerium für Sonderaufgaben gegründet.
Beispielsweise wurde der ehemalige Parteigenosse und KomikerWeiß Ferdl im Oktober 1946 in Münchenentnazifiziert. Er wurde als Mitläufer klassifiziert und hatte einen Sühnebetrag von 2000Reichsmark zu leisten. Zu seiner Entlastung konnte er nachweisen, dass er schon 1935 in Konflikt mit dennationalsozialistischen Behörden geraten und verwarnt worden war, auch dass ihn der PropagandaministerGoebbels persönlich aufgefordert hatte, seine „dummen Witze“ über die Partei zu unterlassen. Er habe nie mit „Heil Hitler“ gegrüßt.
Die US-amerikanische Militärregierung proklamierte ab 1947 eine neue Politik derRe-Education, mit dem Ziel der Einbindung eines noch zu schaffenden freien deutschen Staates als westlicher Bündnispartner. Im Laufe des Jahres 1948 ließ das Interesse der Amerikaner an einer konsequenten Entnazifizierung spürbar nach, da derKalte Krieg mit demOstblock intensiver wurde. Mit Schnellverfahren sollte die Entnazifizierung nun abgeschlossen werden.
Entlastungs-Zeugnis des Entnazifizierungsausschusses des StadtkreisesWattenscheid, 1948
Die Briten agierten gemäßigter als die Amerikaner. Eine Entnazifizierung fand hier nur in sehr begrenztem Umfang statt und konzentrierte sich hauptsächlich auf die schnelle Auswechslung derEliten.
Auch hier kam es zu Ausnahmen, so konnte der deutsche KonzernchefGünther Quandt inNürnberg nicht angeklagt werden, weil die Briten an die ermittelnden amerikanischen Behörden notwendige Unterlagen nicht weiterleiteten. Obwohl Quandt nachweislich in seinen Rüstungswerken (Afa, heuteVARTA in Hannover sowie zwei weiteren Firmen in Berlin und Wien)KZ-Häftlingeausgebeutet hatte, wurde er nur als 'Mitläufer' eingestuft. Bereits 1946 bekam er wieder lukrative Aufträge – von der britischen Armee.[17]
Die Briten arbeiteten dabei mit einem Skalensystem von 1 bis 5. Die Kategorien 3 bis 5 (leichtere Fälle) wurden von deutschen Entnazifizierungsausschüssen (Spruchgerichte) entschieden, die von den Briten 1946 aus Mitgliedern demokratischer Parteien wie der SPD vor Ort gebildet wurden. Die Entscheidungen dieser Ausschüsse wurde im Allgemeinen akzeptiert, da die Kategorien 1 und 2 (schwere Fälle) ohnehin nicht in diesen Gremien behandelt wurden. Für die Aburteilung von Angehörigenverbrecherischer NS-Organisationen wie derSS, derWaffen-SS, desSD wurden deutscheSpruchkammern eingerichtet. Mehr als 1.200 deutsche Richter, Staatsanwälte und Hilfskräfte führten in der britischen Zone im Ganzen 24.200 Verfahren durch.
Hätte man konsequent alle Mitglieder der NS-Vereinigungen angeklagt, deren verbrecherischer Charakter vominternationalen Militärgerichtshof in Nürnberg festgestellt worden war, hätte man nach amerikanischen Schätzungen etwa 5 Millionen Verfahren durchführen müssen.
Eine britische Verordnung legte fest, dass Richter undSchöffen nicht Mitglied der NSDAP oder einer ihrer Organisationen gewesen sein durften. Hintergrund dafür war, dass etwa 90 Prozent der Angehörigen der deutschen Rechtspflege einschließlich der Anwälte Mitglied imNS-Rechtswahrerbund war, dessen Mitgliedschaft freiwillig war. Drei Viertel der Angeklagten wurden mit Strafen belegt, wovon wiederum die Mehrzahl mit der Internierungshaft als abgegolten erklärt wurde. Nur 3,7 Prozent der Angeklagten mussten weitere Monate inEsterwegen absitzen, 4,5 Prozent noch eine Geldstrafe zahlen.[18]
Epurationsentscheid aus dem Saarland (épuration (frz.) =Säuberung, Reinigung)Immatrikulationskarte für einen Beamten in Rheinland-Pfalz mit Vermerken über die Entscheidung der französischen Bereinigungskommission, AußenseiteInnenseite und EinlegeblattInnenseite rechts
Da die französische Besatzungstruppe, bestehend aus Einheiten derForces françaises libres (Freie Französische Streitkräfte), generalstabsmäßig zur6. amerikanischen Armeegruppe gehörte, galten die amerikanischen Direktiven formal auch für die französische Militärverwaltung.[19] Wie mit ehemaligen Funktionären und Kollaborateuren des NS-Regimes zu verfahren sei, war jedoch umstritten, ähnlich wie in Frankreich selbst. „Generell lässt sich sagen, dass die […] Franzosen weniger streng verfuhren und sich, anstatt auch den letzten denkbaren Missetäter enttarnen zu wollen, mehr auf die 'schlimmsten Fälle' konzentrierten“.[20] Wer entweder ab 1. Januar 1919 geboren war oder später kein nationalsozialistisch geprägtes Amt ausgeübt hatte, war automatisch entlastet. Ab Juli 1948 wurden mit der Verordnung 165 alle „einfachen“ Parteimitglieder als Mitläufer eingestuft. NachKlaus Bölling verzichteten die Franzosen auf eine systematische Entnazifizierung, „da sie wohl der Meinung waren, dieser Versuch sei ohnehin hoffnungslos“.[21]
Christian Mergenthaler, bis 1945 württembergischer Ministerpräsident, und mehr als 800 weitere ehemalige Funktionäre der NSDAP wurden von der französischen Besatzungsmacht in einem Lager bei Balingen interniert und mit Zwangsarbeiten in Ölschieferbetrieben und Zementwerken beschäftigt. Nach Spruchkammerverfahren wurden diese Internierten bis Januar 1949 entlassen, meist als „minder belastet“. Umstritten war in der französischen Zone vor allem die Einstufung prominenter Industrieller aus Friedrichshafen: Trotz Protesten von Sozialisten und Gewerkschaftern blieben ehemaligeWehrwirtschaftsführer wieClaude Dornier,Karl Maybach undHugo Eckener weitgehend unbehelligt, da sie Rüstungsgüter für Frankreich lieferten.[22]
Die Entnazifizierung in derSowjetischen Besatzungszone (SBZ) war mit einem grundlegenden kommunistischen Umbau verbunden und wurde schnell und konsequent durchgeführt. Dabei konnte teilweise bereits auf die Vorarbeiten der amerikanischen Militärbehörden zurückgegriffen werden, so in Thüringen und Sachsen,[23] wo die US-Armee vor der Roten Armee eingetroffen war.[24]
Funktionsträger derNSDAP und ihrer Organisationen wurden aus Ämtern entfernt und teilweise inSpeziallagern interniert. Die Gesamtaufsicht für die Entnazifizierung in der SBZ lag direkt beim sowjetischen GeheimdienstNKWD. Sie diente denstalinistischen Machthabern auch als Vorwand, Kritiker des neuen Regimes, darunter Sozialdemokraten, aus dem Verkehr zu ziehen. Seit 1948 unterstanden die Speziallager der Lager-HauptverwaltungGULag des Moskauer Innenministeriums.[25] Nach offiziellen sowjetischen Angaben wurden rund 122.600 Personen inhaftiert, wozu noch weitere 34.700 mit ausländischer, vorwiegend sowjetischer Nationalität kamen, die in der NS-Zeit alsFremd- oderZwangsarbeiter in Deutschland waren.
Um die Entnazifizierung wirksam zur „Politischen Säuberung“ von Personen, die demSozialismus kritisch gegenüberstanden, und zurGleichschaltung der Institutionen zu nutzen, waren die Entnazifizierungskommissionen parteipolitisch einseitig zusammengesetzt. Sie bestanden typischerweise aus einem Mitglied vonCDU undLDPD, zwei Vertretern derSED sowie drei Vertretern derMassenorganisationen, die ebenfalls der SED angehörten.[26]
NationalsozialistischeFunktionäre erkannten schnell, dass sie in den westlichen Besatzungszonen weniger zu befürchten hatten. Viele sahen ihre einzige Chance darin, sich dem Westen mitantikommunistischen Argumenten anzudienen, was im Osten naturgemäß nicht möglich war. Wiederum waren die späteren Funktionsträger der SBZ häufig direkt vom NS-Regime Verfolgte und bewerteten die bloße Mitgliedschaft in der NSDAP als Vergehen.[9][27]
In den Lagern der SBZ, die bis zu ihrer Auflösung im Januar 1950 ausschließlich sowjetischer Kontrolle unterstanden, herrschten schlechte Haftbedingungen, an deren Folgen nach sowjetischen Angaben mindestens 42.800, nach anderen bis zu 80.000 Menschen starben. Bei der Auflösung der Lager wurden die Insassen entlassen oder zur weiteren Strafverbüßung bzw. zu ihrer Aburteilung –Waldheimer Prozesse – ostdeutschen Behörden übergeben.[28]
Vonseiten der SED-Propaganda wurde in derNachkriegszeit dieDeutsche Demokratische Republik als einzigerantifaschistischer Staat dargestellt, wobei es in der BRD eine häufige personelle Kontinuität bei der Besetzung von Dienststellen gebe. Diese Vorwürfe waren berechtigt, da im Westen schon ab den 1950er Jahren eine Verdrängung der zwölfjährigen Diktatur begann, teilweise schon eine Qualifikation für hohe Ämter hinterfragt wurde, falls ein Kandidat nie NSDAP-Mitglied war. Dem wurde vonseiten des Westens erwidert, dass der Osten auch erklärte Gegner des Nationalsozialismus wieKonrad Adenauer und Verfolgte wieKurt Schumacher zu Unrecht mit dem Nazivorwurf konfrontiere.[29]
Praktisch wollte die SED-Führung auf die Mitarbeit und das Fachwissen ehemals NS-belasteter Personen nicht verzichten, insbesondere da auch im DDR-Regime Disziplin, Zuverlässigkeit, Organisationstalent, Rednertalent oder Gehorsam an oberster Stelle derSekundärtugenden standen. Mit Gesetz vom 11. November 1949 wurde daher „Personen, die wegen ihrer Betätigung im Sinne des Nationalsozialismus und Militarismus bisher Beschränkungen in ihrem gesellschaftlichen und beruflichen Leben unterlagen, die staatsbürgerlichen Rechte“ gewährt.[30] Dazu zählten das aktive und passive Wahlrecht, außerdem die Tätigkeit im öffentlichen Dienst, in allen Betrieben, in Handwerk, Handel und Gewerbe, in den freien Berufen sowie in den demokratischen Organisationen. So waren im Zeitraum von 1946 bis 1989 von den 263 ersten und zweitenBezirks- und Kreissekretären der SED, die in denBezirken Gera, Erfurt und Suhl den Geburtsjahrgängen bis einschließlich 1927 angehört hatten, fast 14 Prozent ehemalige NSDAP-Mitglieder, mithin erheblich mehr, als jene 8,6 Prozent aller Mitglieder, die nach einer Erfassung der SED aus dem Jahr 1954 in der NSDAP gewesen waren. Das Thema NS-Vergangenheit der Funktionsträger wurde in der DDR weitgehend verschwiegen. Fallweise sei jemand als Jugendlicher verführt worden. Da es als Problem der Bundesrepublik betrachtet wurde, gab es auch wenig Beschäftigung mit möglicher Schuld oder Verantwortung.[31]
Die Entlassung von NSDAP-Mitgliedern aus dem öffentlichen Dienst wurde in den Verwaltungsgebieten der SBZ unterschiedlich gehandhabt. In manchen Gebieten wurden nur die höheren Dienstränge entlassen, in anderen hingegen alle nominellen Parteimitglieder. Bei der Neubesetzung der dadurch weitgehend leergefegten Behörden unterschied sich die SBZ von den Westzonen. Während diese bei höheren Positionen zumeist auf altgediente Politiker und Fachleute aus dem demokratischen Parteispektrum der Weimarer Republik zurückgriffen, wurden in der SBZ KPD/SED-Mitglieder bevorzugt. Dennoch sorgte auch in der SBZ der kriegsbedingte Mangel an Arbeitskräften für eine pragmatische Rehabilitierungspolitik. Im August 1947 waren von 828.300 statistisch erfassten NSDAP-Mitgliedern nur mehr 1,6 Prozent arbeitslos. Allerdings blieb den NSDAP-Mitgliedern in der SBZ in aller Regel die Rückkehr in den Schuldienst, den Polizei- und Justizapparat und die innere Verwaltung verwehrt, während sie in den Westzonen auch wieder in diese Bereiche zurückkehren durften, wodurch sich in manchen Fällen eine von vielen als bedenklich empfundene personelle Kontinuität herstellte.[32]
In Westdeutschland führte die Verzahnung staatlicher Funktionen und Institutionen mit Parteistrukturen nach 1945 dazu, dass ehemalige SS-Mitglieder ihre früheren staatlichen Funktionen an anderer Stelle wieder ausüben konnten. Zu nennen sind hier Richter, Staatsanwälte, Polizisten, Ärzte, Lehrer, Offiziere, Beamte usw. Ihr Fachwissen war für den Aufbau der Bundesrepublik so wichtig, dass ihre Tätigkeit für denNationalsozialismus nach 1945 bewusst ausgeblendet wurde. Wieder in Funktion, stellten sie sich gegenseitigPersilscheine aus, ließen belastende Dokumente verschwinden und beugten Recht und Gesetz zu ihrem Vorteil. Infiziert und durchdrungen von der zwischen1933 und 1945 herrschenden Ideologie und Moral, hat diese Elite nachfolgende Generationen wesentlich geprägt.[33]
FDP-Wahlplakat zurBundestagswahl 1949 mit der Forderung nach Beendigung der Entnazifizierung
DasGesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen (BGBl. I S. 307) wurde am 10. April 1951 vom1. Deutschen Bundestag bei nur zwei Enthaltungen verabschiedet[34] und am 13. Mai 1951 verkündet. Dieses Gesetz, das rückwirkend zum 1. April in Kraft trat, wird mitunter als „Entnazifizierungsschlussgesetz“ oder auch als „131er-Gesetz“ bezeichnet. Es sicherte mit Ausnahme der Gruppen 1 (Hauptschuldige) und 2 (Belastete) die Rückkehr in den öffentlichen Dienst ab. Quasi zum moralischen Ausgleich hatte der Bundestag das „Gesetz zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts für Angehörige des öffentlichen Dienstes“ (BGBl. I S. 291) wenige Tage vorher einstimmig verabschiedet und einen Tag vor dem Entnazifizierungsschlussgesetz verkündet. Kritik hatte es zuvor von verschiedenen Seiten gegeben.
Entlastungszeugnis nach dem Gesetz zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung vom 15. Februar 1948
Vergleichbare Gesetze wurden auch auf Landesebene beschlossen, so z. B. inSchleswig-Holstein zunächst das „Gesetz zur Fortführung und zum Abschluss der Entnazifizierung“ vom 15. Februar 1948, das mit einer breiten Mehrheit aus allen Parteien angenommen wurde, und später das umstrittene „Gesetz zur Beendigung der Entnazifizierung“ vom 14. März 1951, das u. a. die Rückkehr ehemaliger NS-Funktionäre bis in höchste Ämter der Politik und Verwaltung ermöglichte. Für die Rückkehr belasteter Personen in öffentliche Ämter wurde dasSchlagwort derRenazifizierung gebildet. Unter anderem wurde es von CDU-InnenministerPaul Pagel geprägt, einziges Kabinettsmitglied ohne NS-Vergangenheit in derRegierung von Walter Bartram.[35]
Die Entnazifizierung fand damit auf Bundesebene und in den meisten Bundesländern ihr endgültiges Aus, was von vielen in der Bevölkerung widerspruchslos akzeptiert wurde.[36]
Eine Ausnahme stellt dasBerliner Sühneverfahren dar, das sich primär gegen das Vermögen schwerbelasteter Nationalsozialisten richtet.[37] DasEntnazifizierungsschlussgesetzes vom 14. Juni 1951 legte zwar fest, dass künftig keine Entnazifizierungsverfahren mehr eingeleitet werden sollten, und hob die besatzungsrechtlichen Vorschriften zur Entnazifizierung, soweit sie noch bestanden, auf. Jedoch wurden fürBerlin (West) eine Spruchkammer und eine Berufungsspruchkammer eingerichtet, die nicht nur die anhängigen Verfahren der Spruchausschüsse sowie der Revisionskommission gegen Hauptschuldige weiterzuführen hatten, sondern auch neue Sühne- oder Wiederaufnahmeverfahren einleiten konnten, auch gegen Verstorbene oderVerschollene zu Lasten desNachlasses. Mit Erlass des Zweiten Entnazifizierungsschlussgesetzes vom 20. Dezember 1955 wurde dieSenatsverwaltung für Inneres zur Einleitungsbehörde für Neu- und Wiederaufnahmeverfahren.[38] 10 Jahre nach Ende der NS-Gewaltherrschaft sollten zwar die Sühnemaßnahmen gegen die Mitläufer oder weniger belasteten Anhänger eingestellt, „zum anderen aber die Möglichkeit offengehalten werden, jene Hauptschuldigen gerechter Sühne zuzuführen, die es vielfach verstanden haben, sich oder ihr Vermögen dem Zugriff zu entziehen.“[39] Die WitweHermann Görings musste aus dem Vermögensnachlass eine Geldsühne von 756.000 DM leisten, im Verfahren gegenJoseph Goebbels wurden die Berliner Vermögenswerte mit einer Sühne von 110.000 DM belegt, beiHeinrich Himmler betrug sie hingegen nur 1.220 DM.[40]
Art. 139 GG, der die zur „Befreiung des deutschen Volkes vom Nationalsozialismus und Militarismus erlassenen Rechtsvorschriften“ betraf,[41] hat nach herrschender Meinung mit dem Abschluss der Entnazifizierung seinen Anwendungsbereich verloren.
Nachdem im Zuge derVerjährungsdebatte mit dem 16. Strafrechtsänderungsgesetz vom 16. Juli 1979[42] die Verjährung für Verbrechen nach§ 211 StGB (Mord) aufgehoben worden war (§ 78 Abs. 2 StGB n.F.), ist auch eine strafrechtliche Verfolgung von NS-Tätern weiterhin möglich.
Das Ausgleichsleistungsgesetz von 1994 (AusglLeistG)[44] bestimmt in § 1 Abs. 4, dass unter anderem Personen, die dem nationalsozialistischen System „erheblichen Vorschub geleistet“ haben, keinen Anspruch auf Ausgleichsleistungen haben. Daraus ergab sich die Frage, ob dies auch Personen sein können, die bei der Entnazifizierung als „entlastet“ eingestuft worden waren. Mit Bezug aufAlfred Hugenberg urteilte das Bundesverwaltungsgericht im Jahr 2005, eine damalige Einstufung als „Entlasteter“ oder „Minderbelasteter“ sei „für die Beurteilung, ob die Voraussetzungen für einen Anspruchsausschluss nach § 1 Abs. 4 AusglLeistG vorliegen, ohne Bedeutung“. Zur Begründung führte das Gericht aus, die Ausschlussregelung in § 1 Abs. 4 AusglLeistG diene einem ganz anderen Zweck als seinerzeit die Entnazifizierung, bei der es um die Abwehr von Gefahren beim Neuaufbau gegangen sei.[45] Auf dieses Urteil berief sich dasVerwaltungsgericht Frankfurt (Oder) 2008 im Fall der Erben vonErich Kulke, der als entlastet eingestuft worden war.[46]
Nach der Bewilligung durch denAlliierten Rat am 11. Februar 1946 traten inÖsterreich dasVerbotsgesetz vom 8. Mai 1945, das Kriegsverbrechergesetz vom 26. Juni 1945 und das Wirtschaftssäuberungsgesetz vom 12. September 1945 in Kraft. Bis Februar 1947 erfolgte die Entnazifizierung von österreichischer Seite unter alliierter Kontrolle auf dieser Grundlage.[49]
Für das Kriegsverbrechergesetz zur Strafverfolgung von Kriegsverbrechen, Kriegshetzerei, missbräuchlicher Bereicherung, Denunziation und Hochverrat am österreichischen Volk während der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft[50] galt gemäß der Lehre vonWilhelm Malaniuk das Rückwirkungsverbot nicht, so dass die NS-Verbrechen strafrechtlich verfolgt werden konnten.[51][52][53]
Anhand von vierKriegsverbrecherlisten, welche am 4. Dezember 1945, 13. Jänner 1946, 16. April 1946 und am 5. Juni 1946 in den österreichischen Zeitungen veröffentlicht wurden, wurde nach 242 maßgeblich Hauptverantwortlichen der NS-Verbrechen gefahndet.[54] Im Gegensatz zu Deutschland wurde diese Tätergruppe nicht der alliierten, sondern der österreichischen Gerichtsbarkeit zugeführt.Ernst Kaltenbrunner undArthur Seyß-Inquart beispielsweise wurden imNürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher zum Tode verurteilt und hingerichtet.[55] Nur ein geringer Teil der Kriegsverbrecher wurde in den österreichischen Nachkriegsprozessen verurteilt, auch alle vier Angeklagten in denWiener Auschwitz-Prozessen 1972 freigesprochen.[56] Die bis 1955 für die Aburteilung zuständigenVolksgerichte verhängten insgesamt 43 Todesurteile, von denen 30 vollstreckt wurden, aber auch lange Haftstrafen. Insgesamt wurden von den 137.000 untersuchten Fällen 23.000 Urteile verkündet.[57] Bei einer Verurteilung nach dem Kriegsverbrechergesetz wurde neben der Freiheits- oder Todesstrafe auch das gesamte Vermögen des Täters eingezogen.
Nach dem Verbotsgesetz mussten sich alle, die zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 27. April 1945 Mitglied der NSDAP oder ihrer WehrverbändeSS oderSA, dem NS-Soldatenring oder dem NS-Offiziersbund gewesen waren, registrieren und in öffentlich ausliegende Listen aufnehmen lassen. Besondere Bestimmungen galten für die rund 98.000 „Illegalen“, schwer belasteten Nationalsozialisten. Da sie bereits vor demAnschluss Österreichs zwischen dem 1. Juli 1933 und dem 13. März 1938 der verbotenenNationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei Österreichs – Hitlerbewegung beigetreten waren, hatten sie sich desHochverrats schuldig gemacht und wurden mit schwerem Kerker bestraft.
Nach einer Verbotsgesetznovelle vom 6. Februar 1947 („Nationalsozialistengesetz“) waren fast alle registrierten Personen auchsühnepflichtig. Sie wurden inBelastete undMinderbelastete eingeteilt. Die Belasteten wurden von den Besatzungsmächten vor allem in den beiden Lagern, dem US-Camp imInternierungslager Glasenbach bei Salzburg und dem britischen LagerWolfsberg in Kärnten, interniert. Viele von ihnen wurden für Aufräumungsarbeiten nach Kriegsschäden verpflichtet. Die weiteren Sühnefolgen ergaben sich aus §§ 18, 19 des Verbotsgesetzes. Dazu zählten für Belastete und MinderbelasteteBerufsverbote im öffentlichen Dienst, in der Privatwirtschaft, bei Zeitungen und Verlagen sowie in Wissenschaft, Lehre und Kunst, der Verlust des aktiven und passivenWahlrechts, nach dem Wirtschaftssäuberungsgesetz auch die Entlassung von Dienstnehmern. Da unter diesen Personen aber auch viele Fachkräfte waren, die für denWiederaufbau benötigt wurden, versuchten die beiden damaligen GroßparteienÖVP undSPÖ, bei denBesatzungsmächten eine Lockerung der Bestimmungen für Mitläufer zu erreichen.
In Österreich wurde 1945/46 rund ein Drittel aller öffentlich Bediensteten, ungefähr 100.000 Menschen, aufgrund einer früheren NSDAP-Mitgliedschaft aus dem Staatsdienst entlassen. Darüber hinaus verloren 36.000 Personen in der Privatwirtschaft und 960 höchste Führungskräfte aus Staat und Wirtschaft ihre bisherigen Positionen.[59]
Die 540.000 registrierten Personen waren zwar bei derNationalratswahl 1945 nicht wahlberechtigt, durften aber bei derNationalratswahl am 9. Oktober 1949 wieder ihre Stimme abgeben, nachdem im April 1948 der Nationalrat dieMinderbelastetenamnestie beschlossen hatte.[60][59] Im März 1949 gründete sich derVerband der Unabhängigen (VdU), die Vorgängerpartei derFPÖ, die von ihren Gründern zunächst als bürgerlich-nationalliberale Alternative zu ÖVP und SPÖ intendiert war, faktisch aber bald zum Sammelbecken ehemaliger Nationalsozialisten wurde. Aber auch die beiden großen Parteien warben explizit um dieses Wählerpotential.[60]
1955 wurden die Volksgerichte mit demStaatsvertrag abgeschafft. Mit derGeneralamnestie 1957 (NS-Amnestie 1957) endeten nicht nur die Registrierungspflicht und die Sühnemaßnahmen, sondern auch die Strafverfolgung von Kriegsverbrechen.[61] Zusammen mit demOpferfürsorgesetz[62] wurde eine „innenpolitische Befriedung“ angestrebt.[63] Zwölf Jahre nach dem Zusammenbruch des nationalsozialistischen Regimes und zwölf Jahre nach der Wiedererrichtung der demokratischen Republik Österreich sollten „die noch offenen Teile des sogenannten Nationalsozialistenproblems endgültig gelöst werden“.[63] Das Kriegsverbrechergesetz wurde aufgehoben[64] und die nach diesem Gesetz rechtskräftig verhängten Freiheits- oder Geldstrafen erlassen.[65] Der in vielen Fällen anlässlich der Verurteilung angeordnete Vermögensverfall wurde nach 1955 vielfach, wie in den Fällen des Wiener NS-BürgermeistersHanns Blaschke oder des NS-Polizeipräsidenten von LinzJosef Plakolm, rückabgewickelt.[66]
Strafverfahren wurden nur noch nach den allgemeinen Strafgesetzen vor ordentlichenGeschworenengerichten durchgeführt. Wegen der Verjährungsbestimmungen des Strafgesetzes konnten ab Mitte der 1960er Jahre nur mehr die unmittelbar Beteiligten an nationalsozialistischen Morden vor Gericht gestellt werden.[67] Nach 1955 wurden zwar noch mehr als tausend Verfahren eingeleitet, es kam aber nur noch zu 20 Verurteilungen.[60][68]
Das Wiederbetätigungsverbot nach dem Verbotsgesetz besteht fort.[69][70]
In Ungarn wurde zwischen 1945 und dem 1. März 1948 gegen 39.514 Personen ermittelt, 31.472 Verfahren eingeleitet, davon 5.954 eingestellt, 9.245 Personen von den verhandelten Anklagepunkten freigesprochen. Von den 16.273 Verurteilungen beliefen sich 8.041 mit einer Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr, 6.110 von einem bis zu fünf Jahren, 41 Personen wurden zu lebenslänglicher Zwangsarbeit verurteilt. Von den 322 Todesstrafen wurden 146 vollstreckt, der Rest in lebenslängliche Freiheitsstrafen geändert.[71]
Die Entnazifizierung in den Staaten Europas, die von deutschen Truppen besetzt oder mit dem Dritten Reich verbündet gewesen waren, lief weitgehend auf eine Abrechnung mit denKollaborateuren hinaus. Die Zahl der Urteile gegen Nationalsozialisten wird auf 50.000 bis 60.000 geschätzt.[10]
Im Rahmen der Befreiung Frankreichs von derdeutschen Besetzung Frankreichs im Zweiten Weltkrieg(La Libération) gab es zwischen 1944 und 1947 zahlreiche Aktionen zur Säuberung des Staatsapparats und des öffentlichen Lebens von Personen, denen Kollaboration vorgeworfen wurde. Es ging dabei sehr oft um Denunziationen oder Auslieferung von Flüchtenden. Zunächst gab es die mehr oder weniger spontanen, unkontrollierten Aktionen(épuration sauvage). Neben Misshandlungen und öffentlichen Erniedrigungen kam es dabei nach verschiedenen Schätzungen zu 7.500 bis etwa 10.000 Tötungen. Sie wurden später nicht als Verbrechen verfolgt. In der Folgezeit gab es die durch dieCommission d’Épuration (épuration légale) justiziabel gemachte Formen der Säuberung.
InItalien begann Ende April 1945 dieEpurazione, in der (überwiegend) diePartisanen zwei Wochen lang unkontrolliert von staatlichen Behörden oder dem Militär der Sieger ihre Rache an den Faschisten ausübten. In dieser Zeit sollen etwa 20.000 Menschen zum Großteil ohne Gerichtsurteil umgebracht worden sein.[72]
1981:Die kleinen Nazis. Das Dilemma der Entnazifizierung. Film von Jost von Morr,Chronos-Film, 42 Min.,Video bei YouTube.
1988:Die Erben des Hakenkreuzes. Die Geschichte der Entnazifizierung in den beiden deutschen Staaten. Film vonChristina von Braun, WDR. Teil 1: Westdeutschland, 60 Min. Teil 2: Ostdeutschland, 60 Min.,Video bei YouTube.
2020:Entnazifizierung – Eine Geschichte vom Scheitern. Regie: Mickaël Gamrasni,Arte France, 51 Min.[73]
Stefan Botor:Das „Berliner Sühneverfahren“ – die letzte Phase der Entnazifizierung. Lang, Frankfurt am Main 2006,ISBN 3-631-54574-6.
Jürgen W. Falter, Kristine Khachatryan, Lisa Klagges, Jonas Meßner, Jan Rosensprung, Hannah Weber:„Wie ich den Weg zum Führer fand.“ Beitrittsmotive und Entlastungsstrategien von NSDAP-Mitgliedern.Campus-Verlag, Frankfurt am Main 2022,ISBN 978-3-593-51492-5.
Heidrun Kämper:Entnazifizierung – Sprachliche Existenzformen eines ethischen Konzepts. In: Heidrun Kämper, Hartmut Schmidt (Hrsg.):Das 20. Jahrhundert. Sprachgeschichte Zeitgeschichte. de Gruyter, Berlin / New York 1998, S. 304–329.PDF.
James L. Payne:Did the United States Create Democracy in Germany? In:The Independent Review. Volume 11, Number 2, Fall 2006,online mit Link zum PDF (englisch).
Clemens Vollnhals (Hrsg.):Entnazifizierung. Politische Säuberung und Rehabilitierung in den vier Besatzungszonen 1945–1949. dtv, München 1991,ISBN 3-423-02962-5.
Alexander Perry Biddiscombe:The denazification of Germany. A history 1945–1950. Tempus, Stroud 2007,ISBN 978-0-7524-2346-3.
Norbert Frei:Vergangenheitspolitik. Die Anfaenge der Bundesrepublik und die NS-Vergangenheit. Beck, München 1996,ISBN 3-423-30720-X.
Bertold Kamm, Wolfgang Mayer:Der Befreiungsminister – Gottlob Kamm und die Entnazifizierung in Württemberg-Baden. Silberburg, Tübingen 2005,ISBN 3-87407-655-5.
Helmut Kramer:Huckepack ins Amt. Niedersächsische Justiz unter Hitler und danach. In:Wolfgang Bittner, Rainer Butenschön,Eckart Spoo (Hrsg.):Vor der Tür gekehrt. Neue Geschichten aus Niedersachsen. Steidl Verlag, Göttingen 1986,ISBN 3-88243-059-1, S. 70–76.
Damian van Melis:Entnazifizierung in Mecklenburg-Vorpommern: Herrschaft und Verwaltung 1945–1948. Oldenbourg-Verlag, München 1999,ISBN 3-486-56390-4 (Volltext digital verfügbar).
Kathrin Meyer:Entnazifizierung von Frauen: die Internierungslager der US-Zone Deutschlands 1945–1952. Metropol, Berlin 2004.
Lutz Niethammer:Die Mitläuferfabrik. Die Entnazifizierung am Beispiel Bayerns. Unveränderte Neuauflage. Dietz, Bonn u. a. 1982,ISBN 3-8012-0082-5.
Thomas Menzel:Ende des Beschweigens. Humanistisches Gymnasium Viersen in der Zeit des Nationalsozialismus und nach Kriegsende (1933–1950). B. Kühlen Verlag 2021,ISBN 978-3-87448-548-7.
Fritz Ostler:Das Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus vom 5. März 1946 und sein Vollzug. Persönliche Erfahrungen und Erinnerungen. In:Neue Juristische Wochenschrift. 49. Jg., Nr. 13, 27. März 1996, S. 821–825.
Dominik Rigoll:Staatsschutz in Westdeutschland. Von der Entnazifizierung zur Extremistenabwehr (=Beiträge zur Geschichte des 20. Jahrhunderts. Band 13). Wallstein, Göttingen 2013,ISBN 978-3-8353-1076-6 (zugl. Dissertation, Freie Universität Berlin, 2010).
Armin Schuster:Die Entnazifizierung in Hessen 1945–1954. Vergangenheitspolitik in der Nachkriegszeit. (=Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Nassau. 66;Vorgeschichte und Geschichte des Parlamentarismus in Hessen. Band 29). Historische Kommission für Nassau, Wiesbaden 1999,ISBN 3-930221-06-3 (zugleich: Gießen, Univ., Diss., 1997).
Manfred Wille:Entnazifizierung in der Sowjetischen Besatzungszone Deutschlands 1945–48. Block, Magdeburg 1993,ISBN 3-910173-03-9.
Maria Mesner (Hrsg.):Entnazifizierung zwischen politischem Anspruch, Parteienkonkurrenz und Kaltem Krieg. Das Beispiel der SPÖ. Oldenbourg, Wien u. a. 2005,ISBN 3-7029-0534-0.
Markus Roschitz:Die Entnazifizierung der Lehrerschaft am Beispiel der Südweststeiermark. In:Zeitgeschichte. 48/2, 2021, S. 181–206 (Onlineversion beiANNO).
Christian H. Stifter:Zwischen geistiger Erneuerung und Restauration. US-amerikanische Planungen zur Entnazifizierung und demokratischen Neuorientierung österreichischer Wissenschaft 1941–1955. Böhlau, Wien u. a. 2014,ISBN 978-3-205-79500-1 (zugleich Dissertation, Universität Wien, 2012).
Margarete Grandner, Gernot Heiss,Oliver Rathkolb (Hrsg.):Zukunft mit Altlasten. Die Universität Wien 1945 bis 1955 (=Querschnitte. Band 19). StudienVerlag, Innsbruck u. a. 2005,ISBN 3-7065-4236-6.
Roman Pfefferle, Hans Pfefferle:Glimpflich entnazifiziert. Die Professorenschaft der Universität Wien von 1944 in den Nachkriegsjahren (=Schriften des Archivs der Universität Wien. Band 18). Vienna University Press V & R, Wien 2014,ISBN 978-3-8471-0275-5.
Klaus-Dietmar Henke, Hans Woller (Hrsg.):Politische Säuberung in Europa. Die Abrechnung mit Faschismus und Kollaboration nach dem Zweiten Weltkrieg. dtv, München 1991,ISBN 3-423-04561-2.
James F. Tent (Hrsg.):Academic proconsul. Harvard sociologistEdward Y. Hartshorne and the reopening of German universities. His personal account. Wissenschaftlicher Verlag, Trier 1998.
Harold Zink:The United States in Germany, 1944–1955. Van Nostrand, Princeton 1957.
Harold Zink:The American denazification program in Germany. In:Journal of Central European Affairs. Okt. 1946, S. 227–240.
↑Dieter Stiefel:Forschungen zur Entnazifizierung in Österreich: Leistungen, Defizite, Perspektiven. In: Walter Schuster, Wolfgang Weber (Hrsg.):Entnazifizierung im regionalen Vergleich (= Historisches Jahrbuch der Stadt Linz 2002). Linz 2004, S. 43–57 (ooegeschichte.at [PDF; 81 KB]).
↑OMGUS:Monthly Report of the Military Governor for March 1946. Institut für Zeitgeschichte, MA 560.
↑Heiner Wember:Umerziehung im Lager. Internierung und Bestrafung von Nationalsozialisten in der britischen Besatzungszone Deutschlands. (=Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte Nordrhein-Westfalens. Band 30). Essen 1991,ISBN 3-88474-152-7, S. 276 ff.
↑Vgl. auch Helga A. Welsh:Revolutionärer Wandel auf Befehl? Entnazifizierungs- und Personalpolitik in Thüringen und Sachsen (1945–1948) (=Schriftenreihe derVierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Band 58). Oldenbourg, München 1989.
↑siehe auch Alexander Sperk:Entnazifizierung und Personalpolitik in der sowjetischen Besatzungszone Köthen/Anhalt. Eine Vergleichsstudie (1945–1948).Verlag Janos Stekovics, Dößel 2003,ISBN 3-89923-027-2.
↑Bodo Ritscher:Das Speziallager Nr. 2 1945–1950. Katalog zur ständigen historischen Ausstellung. Wallstein Verlag, 1999,ISBN 3-89244-284-3.
↑Damian van Melis:Entnazifizierung in Mecklenburg-Vorpommern: Herrschaft und Verwaltung 1945–1948. 1999,ISBN 3-486-56390-4, S. 208.
↑Clemens Vollnhals:Entnazifizierung, Politische Säuberung unter alliierter Herrschaft. In:Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs. München 1995,ISBN 3-492-12056-3, S. 377.
↑Stefan Wolle:Der große Plan – Alltag und Herrschaft in der DDR 1949–1961. Christoph Links Verlag, 2013,ISBN 978-3-86153-738-0, S. 207 f.; die Zahlen lt. Wolle bei Sandra Meenzen:Konsequenter Antifaschismus? Thüringische SED-Sekretäre mit NSDAP-Vergangenheit. Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, Erfurt 2011,ISBN 978-3-937967-82-0.
↑Clemens Vollnhals:Entnazifizierung, Politische Säuberung unter alliierter Herrschaft. 1995, S. 383 ff.
↑vgl. Heiko Buschke:Deutsche Presse, Rechtsextremismus und nationalsozialistische Vergangenheit in der Ära Adenauer. Campus, Frankfurt am Main 2003,ISBN 3-593-37344-0, S. 64 ff. (Textauszug google Books)
↑Klaus-Detlev Godau-Schüttke:Von der Entnazifizierung zur Renazifizierung der Justiz in Westdeutschland. In:forum historiae iuris. 6. Juni 2001.(online)
↑Stefan Botor:Das „Berliner Sühneverfahren“ – Die letzte Phase der Entnazifizierung. Peter Lang Verlag, 2006,ISBN 3-631-54574-6.
↑siehe dazu Bert-Oliver Manig:Die Politik der Ehre: die Rehabilitierung der Berufssoldaten in der frühen Bundesrepublik (=Veröffentlichungen des Zeitgeschichtlichen Arbeitskreises Niedersachsen. Band 22). Wallstein-Verlag, 2004,ISBN 3-89244-658-X.Inhaltsverzeichnis bei Google Books, in Ausschnitten lesbar.
↑Verfassungsgesetz vom 26. Juni 1945 über Kriegsverbrechen und andere nationalsozialistische Untaten (Kriegsverbrechergesetz),StGBl. Nr. 32/1945
↑Claudia Kuretsidis-Haider:Die Rezeption von NS-Prozessen in Österreich durch Medien, Politik und Gesellschaft im ersten Nachkriegsjahrzehnt. In: Jörg Osterloh (Hrsg.):NS-Prozesse und deutsche Öffentlichkeit. Besatzungszeit, frühe Bundesrepublik und DDR. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2011,ISBN 978-3-525-36921-0, S. 415.
↑Claudia Kuretsidis-Haider:Das Volk sitzt zu Gericht. Österreichische Justiz und NS-Verbrechen am Beispiel der Engerau-Prozesse 1945–1954. Studien-Verlag, Innsbruck / Wien 2006,ISBN 3-7065-4126-2, S. 55 ff.
↑Wilhelm Malaniuk:Lehrbuch des Strafrechts. Band?, S. 113 u. 385.
↑Bundesverfassungsgesetz vom 14. März 1957, womit Bestimmungen des Nationalsozialistengesetzes, BGBl. Nr. 25/1947, abgeändert oder aufgehoben werden (NS-Amnestie 1957),Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, S. 607
↑Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung (Opferfürsorgegesetz),BGBl. S. 821
↑Abschlussbericht der Zentralen Österreichischen Forschungsstelle Nachkriegsjustiz zur Arbeitsgruppe „Ausforschung von NS-Täter:innen“.Bundesministerium für Justiz,Link zum Download (PDF, 446 KB).
↑Randolph L. Braham:The politics of genocide. The Holocaust in Hungary. 2 Bde., Columbia University Press, New York 1981,ISBN 0-231-05208-1, S. 1167 f.
↑Fritz Molden:Die Österreicher oder die Macht der Geschichte. Wien 1986, S. 287.
↑Stefanie Rauch: H. Leßau: Entnazifizierungsgeschichten. In: hsozkult.de. Kommunikation und Fachinformation für die Geschichtswissenschaften, 7. Dezember 2020, abgerufen am 13. November 2024: „… Als Mittel zur Personalsäuberung, die verhindern sollte, dass ehemalige Parteimitglieder und FunktionärInnen den Aufbau der deutschen Nachkriegsgesellschaft mitgestalten konnten, ist die Entnazifizierung gewiss gescheitert – dabei bleibt es. …“