Edgar Bernhard Jacques Salin (*10. Februar1892 inFrankfurt am Main; †17. Mai1974 inVeytaux,Schweiz) war eindeutscherWirtschaftswissenschaftler.
Edgar Salin wurde als Sohn des jüdischen Unternehmers Alfred Salin und dessen Frau Paula geboren. Von 1901 bis 1910 besuchte er dasGoethe-Gymnasium in seinem Geburtsort Frankfurt am Main. 1910 lud ihn sein Onkel, derNew Yorker BankierJakob Heinrich Schiff, auf eine Eisenbahn- und Seereise quer durch die USA nachAlaska ein, auf der sie Möglichkeiten, in Eisenbahnen und Bergbau zu investieren, untersuchten. Danach studierte erNationalökonomie und Rechtswissenschaft an den UniversitätenHeidelberg,München undBerlin, daneben auch Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte. In Heidelberg kam er über den dortigen Professor für GermanistikFriedrich Gundolf und über seine FreundeNorbert von Hellingrath und Wolfgang Heyer in Kontakt mit dem DichterStefan George. In seiner Heidelberger Zeit bewegte sich Salin auch auf den SpurenFriedrich Hölderlins, weil Hellingrath, einer seiner engsten Freunde, einige wichtige Handschriften entdeckt hatte und diese nun edierte.[1] 1913 promovierte Salin beiAlfred Weber überDie wirtschaftliche Entwicklung von Alaska und Yukon Territory. Ein Beitrag zur Geschichte und Theorie der Konzentrationsbewegung. Auch mit dessen BruderMax Weber,Eberhard Gothein undPaul Reiner hatte Salin in Heidelberg Umgang.
1914 meldete Salin sichfreiwillig als Soldat imErsten Weltkrieg. 1918 wurde er an derOstfront schwer verwundet. Danach ging er in den Auswärtigen Dienst und wurde Referent in der politischen Abteilung der deutschen Gesandtschaft inBern. 1919 verließ er die Diplomatie und kehrte zur Wissenschaft zurück. Salin setzte sich für eine enge interdisziplinäre Verknüpfung der Wirtschaftswissenschaften mit kultur- und sozialwissenschaftlichen sowie philosophischen Themen und Methoden ein. So habilitierte er sich 1920 in Heidelberg überPlaton und die griechische Utopie; mit Platon beschäftigte er sich auch später noch eingehend. 1924 wurde Salin auf eine außerordentliche Professur am Institut für Sozial- und Staatswissenschaften der Universität Heidelberg berufen. In Heidelberg betreute er unter anderem das Promotionsprojekt des AmerikanersTalcott Parsons, der sich in seiner Dissertation mit dem Kapitalismusbegriff bei Max Weber undWerner Sombart befasste. Nach seiner Rückkehr nach Amerika wurde Parsons einer der bedeutendsten Sozialwissenschaftler des 20. Jahrhunderts. Salin wurde nach einer Gastprofessur an derUniversität Kiel, wo er mit den George-AnhängernFriedrich Wolters undJulius Landmann zusammentraf, 1927 als Nachfolger Landmanns ordentlicher Professor an derUniversität Basel. Dort war er 1961/1962 Rektor. 1962 wurde er emeritiert. Zu seinen Schülern zählen etwaUlrich Sonnemann, der 1934 bei ihm promovierte,Marion Gräfin Dönhoff, die 1935 bei ihm promovierte und der er auch nach dem Krieg verbunden blieb, und der WirtschaftsführerAlex Krauer.[2] 1962 wurde Salin dieGoetheplakette der Stadt Frankfurt am Main verliehen.
Seine Arbeitsfelder waren hauptsächlich Wirtschaftsgeschichte und Politische Ökonomie. Er strebte eine vergleichende Gestaltenlehre der Wirtschaft an, noch bevor dieInstitutionenökonomik das Motto einer vergleichenden Institutionenlehre ausgegeben hatte. Daneben trat er für eine, wie er es nannte, „anschauliche Theorie“ ein, die die „rationale Theorie“ (am ehesten mit derNeoklassik zu identifizieren) zwar mit umfassen, aber nicht in ihr aufgehen sollte. Weiter strebte er eine Ökonomie im Dienste der Gesellschaft an, der aber gleichwohl eingedenk bleiben sollte, dass die Wirtschaft nur ein Teilgebiet der Lebensgesamtheit sein kann und damit nur ein Mittel zur Hebung des Daseins von Staat und Mensch ist und kein Selbstzweck sein dürfe. Für diePolitische Ökonomie, wie sie Salin vorschwebte, sollte die mathematische Theorie nur Hilfsmittel und Werkzeug sein. Die Wirtschaftsgeschichte und die Geschichte der Theorie seien aber unentbehrlich.
Salin sah es als gemeinsames Ziel der Ökonomen an, menschliche Unabhängigkeit und Würde zu bewahren und nach den Wegen zu suchen die (Lynkeus, Vorwort) „dem Einzelnen und den Völkern, Europa und der Welt das noch erreichbare Maß an persönlicher, wirtschaftlicher und sozialer Freiheit zu wahren gestatten“. Trotzdem war er kein liberaler (oder als Schlagwort neoliberaler) Ökonom im heutigen Sinne. Diese Politische Ökonomie soll das politische Element und die sozialen, soziologischen Kräfte berücksichtigen; sie sollte jedoch nicht, wieEucken dies als Grundlage der Nationalökonomie postuliert hatte, die politischen Daten als Datenkranz für ihre Überlegungen und Modelle ansehen. Ob diese Politische Ökonomie als ein Wegbereiter oder Vorläufer derNeuen Politischen Ökonomie anzusehen ist, muss offenbleiben. Salins Einordnung nach heutigen Begriffen fällt außerordentlich schwer. Ein Aufsatz über ihn trägt den TitelDer letzte Humanist. Er stand in der Linie des frühen LordKeynes, dessen Blicke in die Zukunft, „zuerst ‚The Consequences of the Peace‘ und dann ‚A Tract of Monetary Reform‘, aus allem zeitgenössischen ökonomischen Schrifttum heraushoben“ (Lynkeus, S. 265), und hielt den „Tract“ für eines jener Bücher, an denen ein politischer Ökonom sich schulen könne (ebd.). Die These von einer Keynesschen makroökonomischen Revolution teilte er allerdings nicht, da er ihre Vorläufer vorwiegend in deutschen Nationalökonomen sah. In der Geschichte der Volkswirtschaftslehre sah er vor allem einen „Wandel in der Einstellung des Menschen zur Wirtschaft und zur Wissenschaft“, und er betrieb deswegen eher Ideengeschichte als analytische und methodische Untersuchungen, wie sie sonst häufig dort anzutreffen sind, wo der gegenwärtige Stand der ökonomischen Wissenschaft als deren höchste Ausformung angesehen wird. Dem Fortschrittsgedanken in der Wissenschaft stand er kritisch gegenüber, als ob die Erkenntnisse der heutigen Wissenschaft dem antiken wie dem mittelalterlichen Menschen unerreichbar geblieben seien (GdV, 4. Aufl., S. 11). Seine Geschichte der Volkswirtschaftslehre steht in dem Dreischritt vonVorgeschichte (Athen, Rom und mittelalterlich-katholisches Europa),Geschichte (in der Merkantilismus eine politische Wissenschaft ist; Physiokraten und Klassiker die Ökonomie als systematische Wissenschaft sehen; Sozialismus und Historismus als evolutionistische Wissenschaft erscheinen) undGegenwart (Neoklassik, Neoliberalismus, soziale Marktwirtschaft). Der Anfang der GdV lautet „Volkswirtschaft als Wissenschaft ist eine Erscheinung, die ausschließlich der europäisch-amerikanischen Moderne angehört. Ihre Geschichte beginnt mit dem Erwachen des individualistischen Geistes, mit dem Erscheinen nationaler Territorien und Reiche und mit dem Sieg des rationalenKapitalismus über das traditionale Wirtschaftshandeln desMittelalters“ (GdV, S. 12). Salin war Gründer und Schriftführer derList-Gesellschaft,[3] die sich nach dem deutschen NationalökonomenFriedrich List benannt hatte.
Gemeinsam mit sechs weiteren Wissenschaftlern gründete Edgar Salin am 6. Oktober 1959 in Basel diePrognos AG.
Personendaten | |
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NAME | Salin, Edgar |
ALTERNATIVNAMEN | Salin, Edgar Bernhard Jacques |
KURZBESCHREIBUNG | deutscher Wirtschaftswissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 10. Februar 1892 |
GEBURTSORT | Frankfurt am Main |
STERBEDATUM | 17. Mai 1974 |
STERBEORT | Veytaux, Schweiz |