Douglas Sirk (Geburtsname:Hans Detlef Sierck; *26. April1897 inHamburg-Eimsbüttel; †14. Januar1987 inLugano,Schweiz) war eindeutscher Film- und Bühnenregisseur. Sierck arbeitete zunächst in Deutschland als Theater- und Filmregisseur. Wegen seiner jüdischen Ehefrau und politischen Gegnerschaft zumNationalsozialismus flüchtete Sierck Ende 1937 aus Deutschland. Nach seinem ersten amerikanischen Film 1943 konnte er sich dort erfolgreich unter dem Namen Douglas Sirk als Regisseur etablieren. Sirk drehte in den 1950er-JahrenFilm-Melodramen, die stilbildend für das Genre wirkten und zahlreiche positive Rezensionen und Analysen in der Fachpresse erhielten.
Detlef Sierck verbrachte als Sohn einesVolksschullehrers und späteren Schulrektors seine Jugend in Hamburg. Ferienreisen mit den Großeltern gingen häufig nachSkagen inJütland (Dänemark). Sierck war anKunst und Kultur interessiert und wurde darin von seinem Vater gefördert. Seine Großmutter mütterlicherseits ging mit ihm regelmäßig ins Kino. Nach demAbitur wurde er zum Ende desErsten Weltkriegs noch eingezogen und warSeekadett bei derKaiserlichen Marine. Von 1918 an studierte erRechtswissenschaft inMünchen, dann kurze Zeit inFreiburg, ohne das Studium zu beenden. Er wechselte dieFakultät und studierte danach zunächst inJena, ab 1920 beiErnst Cassirer in HamburgPhilosophie. Außerdem hörte erkunstgeschichtlicheVorlesungen beiErwin Panofsky und arbeitete nebenher alsRedakteur bei derNeuen Hamburger Zeitung. Er besuchte regelmäßig Theater, Kinos, Oper, Konzerte und Ausstellungen und malte auch selbst. 1922 gab Sierck sein Studium auf. Im selben Jahr erschien seine Übersetzung von Shakespeare-Sonetten in Buchform.[1]
1920/21 wurde Sierck auf VermittlungRichard Dehmels Hilfsdramaturg amDeutschen Schauspielhaus in Hamburg, 1921/22 wurde er zum Dramaturgen befördert. 1922 führte er dort erstmals Regie. Da Sierck in Hamburg keine Stücke von Shakespeare aufführen durfte, ging er nach 1922/23 nach Chemnitz. Als das Theater in Chemnitz in finanzielle Probleme geriet, bildeten die Schauspieler und übrigen Beschäftigten ein Kollektiv, dessen Direktor Sierck wurde. Gespielt wurden populäreKomödien.
In dieser Zeit wurde dasBremer Schauspielhaus auf Sierck aufmerksam und lud ihn als Gastregisseur ein. 1923 inszenierte er dort u.aHenrik IbsensStützen der Gesellschaft mitAlbert Bassermann in der Hauptrolle. Seine Arbeit fand Anerkennung, und er wurde von 1923/24 bis 1929Oberspielleiter am Bremer Theater.[2][3] Dort inszenierte er Stücke vonArthur Schnitzler, darunterAnatols Hochzeitsmorgen, sowieDer Turm vonHugo von Hofmannsthal. 1930 inszenierte erBrechtsDreigroschenoper.
Sierck war in erster Ehe vom 19. Mai 1926 an[4] mit der TheaterschauspielerinLydia Brincken verheiratet, die auch nach der Trennung seinen Namen behielt. Mit ihr hatte er einen 1925 geborenen Sohn, den SchauspielerKlaus Detlef Sierck. Die Ehe wurde am 15. Dezember 1928 in Bremen geschieden. Am 27. Februar 1929 heiratete Sierck in Berlin-Schöneberg[5] die SchauspielerinHilde Jary.
Im Herbst 1929 war Sierck zumIntendanten desAlten Theaters in Leipzig ernannt worden.[6] Dort inszenierte er unter anderem das StückDer Sacco-Vanzetti-Prozeß. Kurz nach derMachtergreifung derNationalsozialisten im Jahr 1933 stand das von Kurt Weill undGeorg Kaiser verfasste antinazistische musikalische BühnenspielDer Silbersee vor der Uraufführung. Die Premiere wurde verschoben und fand am 19. Februar gleichzeitig in Leipzig, Erfurt und Magdeburg statt. Aufführungen des Stückes wurden zuerst in Magdeburg durch Schlägertrupps derSA gestört. In Leipzig fanden noch mehrere Aufführungen statt, über die die örtlichen Zeitungen wohlwollend berichteten, ehe sich die Nazis durchsetzten und das Stück absetzten. Der jüdische Generalmusikdirektor,Gustav Brecher, musste bei der Aufführung am 4. März 1933 vor nationalsozialistischen Schlägern aus dem Konzertsaal flüchten und ging daraufhin mit seiner Frau ins Exil. Auch Kurt Weill verließ kurze Zeit später mit seiner Frau Deutschland.
Daraufhin verlegte sich Sierck einige Zeit auf Gastinszenierungen im Ausland. 1934 wich er zum Film aus. Von derUFA, der nach der durch die Nationalsozialisten erzwungenen Flucht namhafter Künstler gute Regisseure fehlten, erhielt er einen Vertrag als Regisseur.[7] Ende 1935 wurde Sierck durchHans Schüler als (zunächstkommissarischer) Leiter des Alten Theaters ersetzt,[8] woraufhin er sich ganz dem Film zuwandte.
Schon 1934 inszenierte er seinen ersten Kurzfilm, im Jahr darauf seinen ersten abendfüllenden Film,Stützen der Gesellschaft, und war in den darauffolgenden Jahren verantwortlich für große Erfolge wie den FilmSchlußakkord von 1936. 1937 war er maßgeblich am Erfolg vonZarah Leander beteiligt, die er 1937 als Regisseur der FilmeZu neuen Ufern undLa Habanera in Deutschland zum Star machte. Wegen seines Erfolges mit Zarah Leander erhielt Sierck 1937 seinen Reisepass zurück, den man ihm aufgrund einer Denunziation vorläufig entzogen hatte.[9] Diese Gelegenheit nutzten Sierck und seine Ehefrau Hilde Jary, die jüdischer Herkunft war. Das Paar verließ Deutschland 1937 und ging über dieNiederlande zunächst nachFrankreich, dann in dieUSA. Grund für die hastige Flucht waren offenbar auch Denunziationsversuche dieser Ehe durch Siercks erste Ehefrau. Sierck sah nach der Flucht sein einziges Kind nicht wieder, da Klaus Detlef Sierck 1944 an der Ostfront fiel.[10]
In den USA nannte sich SierckDouglas Sirk und betrieb mit seiner Ehefrau eine Hühnerfarm, was er im Nachhinein als die glücklichste Zeit seines Lebens beschrieb. Zu anderen deutschen Exilanten inHollywood pflegte er nur wenig Kontakt, da diese bei gemeinsamen Treffen nur herabwürdigend und hasserfüllt über Amerika gesprochen hätten.[11] Er knüpfte erste Kontakte in die Filmindustrie und versuchte sich auch alsDrehbuchautor. Eine Chance für ihn als Regisseur ergab sich 1942 nach demAttentat auf Heydrich und dem Massaker vonLidice. Die US-Regierung wollte die Bereitschaft der amerikanischen Bevölkerung, in den Zweiten Weltkrieg einzutreten, verstärken und einen Antinazifilm drehen lassen. 1942 gab die kleine ProduktionsfirmaPRC Sirk einen ersten Regieauftrag für einen Film mit dem TitelHitler’s Madman über Heydrich und Lidice.[12] Der Film wurde vonMetro-Goldwyn-Mayer (MGM) angekauft und bedeutete Sirks Durchbruch.
1944 folgte das elegant inszenierte MelodramSommerstürme nach dem StückEin Drama auf der Jagd vonAnton Tschechow. Die Kritiker lobten die intelligente Umsetzung der Vorlage, insbesondere die sensible Führung der Schauspieler, darunterLinda Darnell. In den folgenden Jahren inszenierte Sirk Filme in unterschiedlichen Genres. 1948 wurde Sirk vonClaudette Colbert persönlich ausgewählt, Regie bei demFilm noirSchlingen der Angst zu führen.
Nach Ende des Krieges versuchte Sirk 1949 erneut, in Deutschland Fuß zu fassen, doch kehrte er bald zurück nach Hollywood, wo er beiUniversal Pictures seine neue künstlerische Heimat fand. In den 1950er Jahren wurde Sirk einer der erfolgreichsten Regisseure, deren Markenzeichen dasMelodram war. Gemeinsam mit dem ProduzentenRoss Hunter drehte er von 1953 an einige der stilvollsten Filme dieses Genres, oft Neuverfilmungen älterer Produktionen von Universal Pictures. Im FilmAll meine Sehnsucht, der das Schicksal einer vonBarbara Stanwyck gespielten Frau mit zweifelhafter Vergangenheit schildert, fand Sirk zu seiner endgültigen Formensprache. In seinen Filmen kämpft stets das Individuum gegen die konformistischen, restriktivenVerhaltenskodizes der Gesellschaft um einen Platz für seine Gefühle. InJane Wyman fand Sirk seine ideale Darstellerin für gefühlvoll geschilderte Frauenschicksale. Die beiden FilmeDie wunderbare Macht von 1954 undWas der Himmel erlaubt von 1955 waren an der Kinokasse erfolgreich, fanden aber bei Kritikern nur ein geteiltes Echo. Zugleich sorgten sie für den Aufstieg des SchauspielersRock Hudson zum Topstar von Universal Pictures. In den folgenden Jahren drehte Sirk Filme, die als einige der besten Melodramen der Kinogeschichte gelten:In den Wind geschrieben,Es gibt immer ein Morgen,Duell in den Wolken,Zeit zu leben und Zeit zu sterben. Besonders durch Letzteren, eine Adaption des gleichnamigen Romans vonErich Maria Remarque (mitLiselotte Pulver), gewann Sirk den Respekt der Begründer derNouvelle Vague,Jean-Luc Godard undFrançois Truffaut, die sich begeistert zeigten vom innovativen Einsatz neuer Techniken wieCinemascope undTechnicolor für die Schilderung auch sensibler, intimer Momente.
1959 drehte Sirk mitSolange es Menschen gibt mitLana Turner undSandra Dee in den Hauptrollen seinen letzten und finanziell erfolgreichsten Film. Der Streifen bot eine zurückhaltende Studie über Rassenvorurteile und die Unfähigkeit, Gefühle und Karriere zu vereinen.Juanita Moore wurde für ihre Darstellung einer aufopfernden Mutter für einen Oscar als beste Nebendarstellerin nominiert.
Auf diesem Höhepunkt seines Erfolges in Hollywood verabschiedete sich Sirk aus den USA, wo er nach eigenen Angaben nie viele Freundschaften geschlossen hatte, und suchte nach größerer Freiheit bei der Themenwahl seiner Filme. Sirk plante in Frankreich einen Film über das Leben des MalersMaurice Utrillo, erkrankte aber und entschied sich nach seiner Genesung, kein anstrengendes Filmprojekt mehr beginnen zu wollen.[13] Angebote, wieder bei Filmen Regie zu führen, lehnte er ab.[14]
Das Ehepaar Sirk kehrte nicht nach Deutschland zurück, sondern zog nachLugano in deritalienischsprachigenSchweiz. Dort verbrachte das Paar den Rest seines Lebens. In den 1960er Jahren führte Sirk sporadisch Regie an Theatern in Deutschland, vor allem am HamburgerThalia-Theater und amMünchener Residenztheater. Von 1974 bis 1978 war er Gastdozent an derHochschule für Fernsehen und Film München;Rainer Werner Fassbinder besuchte einen seiner Kurse. Daneben war Sirk an einigen studentischen Kurzfilmen beteiligt. 1978 erhielt Sirk für sein Lebenswerk denDeutschen Filmpreis und 1986 denBayerischen Filmpreis. Er starb 1987 im Alter von 89 Jahren in Lugano.
Sirk gehört zu den heute meistgeschätzten Regisseuren der 1950er Jahre. Damals war dies jedoch anders: Zwar waren seine Filme beim Publikum beliebte Kassenerfolge, doch die meisten Kritiker verachteten sie als „schnulzig und kitschig“.[14] Nachdem er von den Filmemachern derNouvelle Vague in den 1960er-Jahren als Beispiel für einenAutorenfilmer gelobt wurde, gilt Sirk inzwischen als einer der angesehensten Filmemacher aus dem Hollywood derStudiosystem-Ära. Seine Melodramen aus den 1950er-Jahren erhielten dabei die größte Aufmerksamkeit, Inszenierungen in anderen Genres von ihm sind noch weniger untersucht oder werden als schwächer angesehen.
Auch andere Aspekte in Sirks Werk fanden Würdigung, darunter die hervorragende Kameraarbeit sowie die vielenSymbole, die er oft in seineMise en Scène eingebaut hatte: Beispielhaft setzt er inWas der Himmel erlaubt immer wieder vergitterte Fenster ein, um die Gefangenheit der Figuren in ihren Konventionen auszudrücken, und mehrmals lässt er im Film ein Reh als Symbol auftreten. Auch sein Einsatz von Farbe wird oft kommentiert – die meisten seiner Technicolor-Filme zeichnen sich durch ansprechende, allerdings fast übertrieben wirkende Farben aus. Die Farben unterstrichen die Künstlichkeit der amerikanischen Gesellschaft, vergrößern aber zugleich durch ihre Farbdramaturgie den emotionalen Aspekt der Filmhandlung. So übte Sirk in seinen Werken immer wieder unterschwellig Kritik am repressiven Lebensstil und den strengen Gesellschaftsregeln in Amerika: „Sirks Melodramen handeln von Menschen, die in ihren Häusern und gesellschaftlichen Moralvorstellungen gefangen sind.“[14]
Rainer Werner Fassbinder äußerte sich teilweise ekstatisch über die filmischen Qualitäten von Sirk und gab stets unumwunden zu, von seinem Werk beeinflusst worden zu sein. AuchPedro Almodóvar undKathryn Bigelow zählen ihn zu ihren Vorbildern.[15]Todd Haynes drehte im Jahr 2002 mitDem Himmel so fern ein erfolgreiches und in den 1950er-Jahren spielendes Melodram, das thematisch wie visuell an Sirks Filme angelehnt ist.Wim Wenders nannte Sirk einen „Dante derSoap Operas“, der meisterhaft in der Lage gewesen sei, die mit demAmerican Dream verbundenen Schattenseiten in dramatischen Bildern zu vermitteln.[16]Quentin Tarantino äußerte, gerne einmal einen Film im Stile von Sirks Melodramen drehen zu wollen, allerdings fürchte er, dass dieser vom Publikum höchstens noch ironisch verstanden werden könne.[17] In TarantinosPulp Fiction wird in einer Szene ein sogenanntes „Douglas-Sirk-Steak“ bestellt.[18] AuchGuillermo del Toro benannte Sirk 2018 in seiner Oscar-Dankesrede als Einfluss auf sein filmisches Schaffen.
DasFilmfest Hamburg vergibt seit 1995 denDouglas-Sirk-Preis jährlich an eine Persönlichkeit, die sich um die Filmkultur und die Filmbranche verdient gemacht hat.
Douglas Sirk – Hope as in Despair. Dokumentarfilm, Schweiz, Frankreich, Deutschland, 2022, 76 Min., Regie: Roman Hüben.[19]
Personendaten | |
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NAME | Sirk, Douglas |
ALTERNATIVNAMEN | Sierck, Hans Detlef (wirklicher Name) |
KURZBESCHREIBUNG | US-amerikanischer Bühnen- und Filmregisseur deutscher Herkunft |
GEBURTSDATUM | 26. April 1897 |
GEBURTSORT | Hamburg,Deutsches Reich |
STERBEDATUM | 14. Januar 1987 |
STERBEORT | Lugano,Schweiz |