Eine oder einDispens (weiblich imKirchenrecht und imösterreichischen Deutsch; vonkirchenlateinischdispensa „Erteilung einer Gunst“[1]) ist einehoheitlicheAusnahmebewilligung oder Befreiung von einem Verbot oderGebot.
Der Begriff stammt aus dem Kirchenrecht und wird dort feminin gebraucht (die Dispens). Zugrunde liegt kirchenlateinischdispensa in der Bedeutung „Erlass einer Pflicht“, entstanden übermittelhochdeutschdispensieren aus lateinischdispensare „austeilend abwägen“, vonpensare „abwägen“.[2] Es handelt sich um ein kirchensprachliches Kurzwort zu ‚Dispensation‘ (im 14. Jahrhundertdispensacie),lateinischdispensatio (zum Verbdispensare „zuteilen, zumessen, gleichmäßig verteilen“);[1][3] analog sinditalienisch(la) dispensa[4] undfranzösisch(la) dispense gebildet.
Zunächstnord- undmitteldeutsch, erscheint der Begriff seit dem 19. Jahrhundert in der weltlichen Rechtssprache, vor allem im Verwaltungs- und Baurecht, unter Einwirkung von „Konsens“ (lateinischconsensus „Übereinstimmung“)[5] in maskuliner Verwendung (der Dispens)[6] und gilt seitdem so im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik Deutschland, während er in Österreich auch im weltlichen Recht wie generell im Kirchenrecht allein feminin gebraucht wird. Die Verwendung als Maskulinum stellt sich als eine auf Teile des deutschen Sprachraums beschränkte, fehlerhafte Begriffsübernahme durch die Profanjuristen von den Kirchenjuristen dar, begünstigt dadurch, dass das deutsche Wort „Dispens“ morphologisch das weibliche Geschlecht nicht erkennen lässt.
In jüngerer Zeit scheint der Begriff in der weltlichen Rechtssprache zunehmend gemieden zu werden. Bauordnungen, auf die gelegentlich verwiesen wird, enthalten ihn nicht mehr. In Rechtsprechung und Literatur ist er aber noch geläufig.[7][8]
Imkanonischen Recht ist eine Dispens die Befreiung von einem rein kirchlichen Gesetz, das heißt einer nicht aufgöttliches Recht zurückzuführenden kirchenrechtlichen Vorschrift, in begründeten Einzelfällen. Diese kann auf Antrag, der sogenanntenPetition, vomOrtsbischof oder den von ihm dazu beauftragten Amtsträgern erteilt werden (vgl.Codex Iuris Canonici (CIC) cc. 85-93). Für manche kirchlichen Gesetze ist die Dispensvollmacht demapostolischen Stuhl vorbehalten; Ordensangehörigen können bestimmte Dispensen auch vomOrdensoberen gewährt werden.
Eine Dispens kann nur erteilt werden, wenn im Einzelfall ein vernünftiger und gerechter Grund vorliegt. Sollte dieser Grund entfallen, verliert eine bereits erteilte Dispens dadurch ihre Wirksamkeit.
Dispensen haben unter anderem imEherecht der katholischen Kirche große Bedeutung:
Systematisch gehört die Dispens innerhalb derVerwaltungsakte für Einzelfälle zusammen mit demPrivileg zu den Gnadenerweisen (Indulten), auf die grundsätzlich kein Rechtsanspruch besteht. Sie wird in der Regel durchReskript erteilt.
Im deutschenVerwaltungsrecht stellt der Dispens eine Ausnahmeerlaubnis oder Befreiung dar, die Härten gesetzlicher Regelungen, welche für den konkreten Fall nicht gedacht waren, ausgleichen soll. Er ist formell und materiell ein begünstigenderVerwaltungsakt, der einrepressives gesetzliches Verbot im Einzelfall aufhebt. Der Dispens ist von derKontrollerlaubnis zu unterscheiden, die aufgrund eines bereits im Gesetz vorgesehenen Erlaubnisvorbehalts erteilt wird.
DerRechtsbegriff Dispens wurde in einigen historischenLandesbauordnungen verwendet.[10] Er bezeichnet die einemBauantragsteller unter bestimmten Voraussetzungen zu gewährende Befreiung von einer allgemeinen Baubeschränkung in einem Einzelfall, um unbillige Härten zu vermeiden oder aus Gründen des Allgemeinwohls, und kommt sowohl fürbauordnungsrechtliche[11] als auchbauplanungsrechtliche Beschränkungen (§ 31 Abs. 1, Abs. 2 BauGB)[12] in Betracht. Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen, wie sie beispielsweise § 56 der Landesbauordnung für Baden-Württemberg vorsieht,[13] werden in der Kommentarliteratur mitunter weiterhin mit dem Begriff „Dispensentscheidungen“ zusammengefasst.[14]Klaus Gärditz bezeichnet den Dispens als „wichtiges Instrument zur Nachsteuerung der bauplanungsrechtlichen Vorhabenzulassung“.[15]