David Cronenberg wurde als Sohn einer Musikerin und eines Schriftstellers in Toronto geboren. Seinejüdischen Großeltern stammten alle ausLitauen. Er besuchte dasNorth Toronto Collegiate Institute und schrieb sich 1963 zuerst im Bereich Naturwissenschaften an derUniversity of Toronto ein. Später wechselte er in die Fachbereiche englische Sprache und Literatur und erwarb 1967 seinen Abschluss als „Bachelor of Arts“.[1] Beeinflusst vonWilliam S. Burroughs undVladimir Nabokov, versuchte er sich zunächst erfolglos als Autor.[2] Erst die Sichtung eines von Kommilitonen gedrehten Films weckte in ihm den Wunsch, selbst Filmemacher zu werden.[3]
Seine SchwesterDenise Cronenberg war als Kostümdesignerin an einem Dutzend seiner Filme beteiligt.
Ab den späten 1960er Jahren begann Cronenberg seine ersten, experimentellen Kurz- und Langfilme zu drehen. Obwohl beeindruckt von Regisseuren wieFederico Fellini undIngmar Bergman,[3] verneinte er filmgeschichtliche Einflüsse auf sein Werk und verwies stattdessen wiederholt auf Burroughs, Nabokov sowie denExistentialismus.[4][5] In den expliziten, Elemente des Horror- und Science-Fiction-Films einbindenden, ArbeitenParasiten-Mörder (1975) undRabid – Der brüllende Tod (1977) stand der physische Horror im Vordergrund. MitDie Brut (1979), seinem „autobiografischsten“ Film,[6] begann Cronenberg, psychologischen mit physischem Horror zu verbinden.Die Brut markierte auch die erste Zusammenarbeit mit dem KomponistenHoward Shore, der seitdem zu Cronenbergs festem Stamm von Mitarbeitern zählt, die der Regisseur im Laufe der Jahre um sich scharte, darunter FilmeditorRonald Sanders, ProduktionsdesignerinCarol Spier und KameramannMark Irwin[7], der 1988 durchPeter Suschitzky ersetzt wurde.
Seinen ersten größeren kommerziellen Erfolg verzeichnete Cronenberg mitScanners – Ihre Gedanken können töten (1981), einen weiteren mitDie Fliege (1986), einem Remake desgleichnamigen Films von 1958. MitDie Unzertrennlichen (1988), den er nebenDie Brut undDie Fliege zu seinen persönlicheren Werken zählte,[8] trat die extreme Darstellung körperlicher Deformationen in seinen Filmen zusehends in den Hintergrund. Inhaltlich verschob sich die Gewichtung vom Horror- und Science-Fiction-Genre hin zumFilmdrama, auch entstanden die nachfolgenden Arbeiten mehrheitlich nicht mehr nach seinen Originaldrehbüchern, sondern nach literarischen Vorlagen.Naked Lunch (1991) basierte auf einem Buch von Cronenbergs favorisiertem Literaten Burroughs und war die erste Zusammenarbeit mit dem namhaften ProduzentenJeremy Thomas.
Cronenberg drehte neben Kinofilmen auch Fernseh- und Werbefilme. Zusätzlich zu seiner Regiearbeit trat er schauspielerisch in kleinen Rollen undCameos in Erscheinung, so 1990 inClive BarkersCabal – Die Brut der Nacht.
Cronenberg gilt als Mitbegründer desBody Horror (dt.Körperhorror), einer Stilrichtung des Horrorfilms, „dessen Hauptmotiv die deutlich gezeigte Zerstörung oder der Verfall eines menschlichen Körpers oder menschlicher Körper ist bzw. sind“.[11] Der Regisseur selbst lehnt diese Zuordnung ab.[4]
Rüdiger Suchsland vomfilm-dienst sieht Cronenberg nach eher klassischen Horrorfilmen 2004 als „Meister des subtilen Horrors“ zwischen den Polen Angst, Gesellschaftskritik und Deformation des Körpers. Cronenberg auf Suchslands Frage nach seiner Weltsicht: „Die Basis ist eine existentialistische Sicht der Realität. Das bedeutet: Es gibt keine absolute Realität. Es gibt nur ein oder zwei Tatsachen über das Leben – die eine ist der Tod, eine weitere das Leben. Dazwischen müssen wir alles selbst erfinden und hervorbringen. Die Verantwortung dafür ist ganz und gar unsere eigene – niemand nimmt uns das ab. Es gibt keine Regeln, außer denen, die wir selbst erfinden. […] Das ist erschreckend und aufregend zugleich.“[12]
David Cronenberg ist leidenschaftlicher Fan vonMotorsport undBoxen. Sein Faible für den Motorsport ließ er in seine beiden FilmeThe Italian Machine von 1976 und10.000 PS – Vollgasrausch im Grenzbereich von 1979 einfließen.[13][14] Ferner ist in diesem Zusammenhang der Teleporter als Kulisse in seinem FilmDie Fliege optisch dem Zylinder eines Motorrads des ModellsDucati 450 Desmo aus dem Besitz von Cronenberg nachempfunden.
Thomas J. Dreibrodt:Lang lebe das neue Fleisch: die Filme von David Cronenberg; von Shivers bis eXistenZ. Paragon-Verlag, Bochum 2000,ISBN 3-932872-05-3.
Drehli Robnik, Michael Palm (Hrsg.):Und das Wort ist Fleisch geworden: Texte über Filme von David Cronenberg. PVS-Verleger, Wien 1992,ISBN 3-901196-02-1.
Simon Pühler:Metaflesh. Cronenberg mit Lacan. Körpertechnologien in Shivers und eXistenZ. Avinus Verlag, Berlin 2007,ISBN 978-3-930064-65-6.
Almut Oetjen, Holger Wacker:Organischer Horror. Die Filme des David Cronenberg. Corian Verlag, Meitingen 1993,ISBN 3-89048-300-3.
Bettina Papenburg:Transformationen des grotesken Körpers im Kino David Cronenbergs. Universität Heidelberg, Heidelberg 2007 (uni-heidelberg.de –Dissertation).
Manfred Riepe:Bildgeschwüre: Körper und Fremdkörper im Kino David Cronenbergs. Transcript Verlag, Bielefeld 2002,ISBN 3-89942-104-3.
Drehli Robnik / Andreas Rauscher:David Cronenberg * 1943.In:Thomas Koebner (Hrsg.):Filmregisseure. Biographien, Werkbeschreibungen, Filmographien. 3., aktualisierte und erweiterte Auflage. Reclam, Stuttgart 2008,ISBN 978-3-15-010662-4, S. 156–161.
Thomas Weber:Medialität als Grenzerfahrung. Futurische Medien im Kino der 80er und 90er Jahre. Transcript Verlag, Bielefeld 2008,ISBN 978-3-89942-823-0.
Arno Meteling:Monster. Zu Körperlichkeit und Medialität im modernen Horrorfilm. Transcript, Bielefeld 2006,ISBN 3-89942-552-9.
Mertxe Lasierra:Cronenberg: A Modern Canadian Myth. In: Wolfram R. Keller, Gene Walz (Hrsg.):Screening Canadians: Cross-Cultural Perspectives on Canadian Film. Im Part Three:Canadian Nations. Marburger Zentrum für Kanada-Studien,Universitätsbibliothek Marburg 2008,ISBN 978-3-8185-0461-8.
↑„I consider myself an existentialist and an atheist, and I think that body is what we are. That’s not diminishing it to me, it’s just accepting the reality of it. So, if the human body is the first fact of human existence, then immediately you see why I focus on the body.“ – Marlow Stern:David Cronenberg on ‘A Dangerous Method,’ Robert Pattinson’s Acting, and S&M With Keira Knightley. In:The Daily Beast. 20. November 2011, abgerufen am 12. November 2012.
↑Chris Rodley (Hrsg.):Cronenberg on Cronenberg. Faber and Faber, London 1997,ISBN 0-571-19137-1, S. 75–76.
↑Einblendung szenenbezogener Fakten „Trivia Track“ als Special Feature, enthalten im Bonusmaterial der blu-Ray DiscDie Fliege, 2008, Twentieth Century Fox Home Entertainment, im Vertrieb von The Walt Disney Company Germany, München
↑Chris Rodley (Hrsg.):Cronenberg on Cronenberg. Faber and Faber, London 1997,ISBN 0-571-19137-1, S. 78.
↑„A horror film genre in which the main feature is the graphically depicted destruction or degeneration of a human body or bodies.“ – Definition in der Online-Ausgabe des Collins English Dictionary, abgerufen am 12. November 2012.
↑Einblendung szenenbezogener Fakten „Trivia Track“ als Special Feature, enthalten im Bonusmaterial der blu-Ray DiscDie Fliege, 2008, Twentieth Century Fox Home Entertainment, im Vertrieb von The Walt Disney Company Germany, München
↑Audiokommentar von Regisseur David Cronenberg, enthalten im Bonusmaterial der blu-Ray DiscDie Fliege, 2008, Twentieth Century Fox Home Entertainment, im Vertrieb von The Walt Disney Company, München