Der englische BegriffDandy kam Mitte des 18. bis Anfang des 19. Jahrhunderts auf und bezeichnet nachFriedrich Kluges etymologischem Wörterbuch „junge Leute, die in auffälliger Bekleidung Kirche oderJahrmarkt besuchen“. DieDichotomie von Sich-Zeigen und Beachtung-Erwirken ist dieser ArtRollenspiel-Inszenierung immanent.
Berühmte Vertreter warenBeau Brummell,Beau Nash,Charles Baudelaire,Alfred d’Orsay,Lord Byron,Giacomo Casanova, der FürstHermann von Pückler-Muskau,Benjamin Disraeli, später auch die Vertreter desÄsthetizismus wieOscar Wilde,Aubrey Beardsley,James McNeill Whistler undMax Beerbohm. Einer der bekanntesten Dandys des 20. Jahrhunderts war der Prince of Wales (kurzzeitig KönigEduard VIII.), späterer Herzog von Windsor. Auch der US-amerikanische SchriftstellerTom Wolfe trat mit seinen typischen weißen Anzügen als moderner Dandy auf.
InDeutschland erfuhr der Dandyismus in den 1990er Jahren eine Aktualisierung durch Vertreter derPopliteratur wieChristian Kracht undBenjamin von Stuckrad-Barre.
Im späten 18. Jahrhundert war das Wort Dandy eine Abkürzung des BegriffsJack-a-Dandy, einer britischen Bezeichnung aus dem 17. Jahrhundert, die einen eingebildeten Mann beschrieb.[1] Vor der amerikanischen Revolution wurde im britischen Nordamerika die britische Version des LiedesYankee Doodle verwendet: „Yankee Doodle went to town, / Upon a little pony; / He stuck a feather in his hat, / And called it Macoroni“ und der Refrain: „Yankee Doodle, keep it up, /Yankee Doodle Dandy, / Mind the music and the step, / And with the girls be handy“ spottete über die rustikale Art und die Armut der amerikanischen Kolonialherren, indem er andeutete, dass dieMode der Macaroni (ein feines Pferd und goldgeflochtene Kleidung) einen Dandy von der kolonialen Gesellschaft abhob. Möglicherweise bezieht sich der englische Begriff auch auf eine ältere französische Verwendung, wie sie beiFrançois Rabelais (der die Formdandin benutzte) undMolière (Georges Dandin) auftaucht.[2]
Im18. Jahrhundert lehnten die Engländer die französische Hofkultur zunehmend ab. Das neue Körperbewusstsein, das sich durch die Beschäftigung mit antiker Plastik herausgebildet hat, fand seine Umsetzung in der Schneiderei. Diese Einflüsse ließen den modernenHerrenanzug entstehen, der körpernah geschnitten die V-Silhouette des Mannes hervorhob und der meist aus festem Stoff in gedeckten Farben bestand und bis heute besteht.
Dieser Anzug wurde vonBeau Brummell auf die Spitze getrieben, der als erster Vertreter des Dandytums gilt. Er propagierte bereits die neue Schlichtheit, als adlige Kreise noch ganz der höfischen französischen Mode folgten. VieleLegenden ranken sich um seine Person. So soll er seineHandschuhe stets von zwei verschiedenen Fabrikanten herstellen haben lassen,[3] einer für die Daumen, die er besonders geschickt zu gebrauchen verstand, ein anderer für die Finger. Er hatte dreiFriseure, einen für die Stirn, einen für die Seiten und einen für den Hinterkopf (diePerücke kam mit seinem Einfluss aus derMode). Er wechselte, entgegen den Gepflogenheiten seiner Zeit, mehrmals täglich seine Wäsche, dabei verachtete erSchmuck undParfüm. Den Aufwand, den er betrieb, sah man nicht auf den ersten Blick, umso argwöhnischer wurde er von Zeitgenossen betrachtet. Er endete imIrrenhaus vonCaen, nachdem er sein geerbtesVermögen verausgabt hatte und vonGläubigern verfolgt wurde. Anekdoten und Aufsätze über Beau Brummell sind vonBaudelaire,Fürst Pückler,Max Beerbohm undVirginia Woolf überliefert.
Oscar Wilde, Max Beerbohm,Aubrey Beardsley und andere Vertreter desÄsthetizismus propagierten gegen Ende des19. Jahrhunderts einen neuen Stil: Samtene Kniehosen undWesten, niederliegendeHemdkragen und große Sonnenblumen wurden zu ihren äußerlichen Kennzeichen.
Seinem Vorbild Oscar Wilde folgend, gefiel sich der Maler und LiteratRudolf Schlichter während seines Kunststudiums um 1910 an derStaatlichen Akademie der bildenden Künste Karlsruhe darin, sich als Dandy zu geben, indem er, mit Schminke und Puder im Gesicht, schwarz umränderten Augen, Glockenhose und Damenknopfstiefeln „voll selbstgefälliger Eitelkeit“ durch die Straßen der Stadt schwebte.[4]
DieÄsthetizisten öffneten die von bürgerlicher Enge und vom Moralismus geprägteviktorianische Gesellschaft für eine neue Sinnlichkeit in Farben und Formen. Sie bekämpften den herrschenden Geschmack desMainstream mitritualisierter Ästhetik. Viele Dandys warenKünstler,Dichter oderEssayisten und vertraten ihren Stil auch literarisch. Dandyismus ist eine Lebenseinstellung, zu der Selbstinszenierung, Schlagfertigkeit sowie ein eher ungezwungenes Verhältnis zum Geld (viele hatten Spielschulden) gehören.
Das Sich-Abheben von anderen, das Bedürfnis, der Gewöhnlichkeit zu Leibe zu rücken und sie zu überwinden, sind typisch für den Dandy. Baudelaire geht so weit zu sagen, dass das Dandytum eine Art Kult mit dem eigenen Ich darstellt: Es sei die Freude daran, andere in Erstaunen zu setzen, und das stolze Hochgefühl, nie selbst in Erstaunen zu geraten.[5] Ebenfalls wichtig ist die Unabhängigkeit von bürgerlichen Zwängen wieLohnarbeit oderEhe.
Der Dandy Wildescher Prägung ist ein typisches Phänomen desfin de siècle. SeinerLebensphilosophie liegt die Annahme zugrunde, dass die Welt in ihrer Ordnung schlecht und zum Untergang bestimmt ist. Politisches oder soziales Engagement, selbst die Einhaltung der bürgerlichen Normen sind daher nicht nur sinnlos, sondern geradezu Ausdruck (klein-)bürgerlicher Dumpfheit. Den Sinn, den er im Leben vermisst, kompensiert der Dandy durch die Form, die er seinem Selbst gibt, durchnarzisstische Inszenierung. Er stilisiert sich zumDécadent und genießt das Gefühl, damit zurAvantgarde zu gehören.
Eine modernere Form des Dandytums istCamp.
Der von Oscar Wilde gelobte exzentrische DichterCharles Robert Maturin nahm bereits um 1820 den Typus des Dandys vorweg.[6]
Zu den bekanntesten Dandys im Paris derBelle Époque zählte der SchriftstellerRobert de Montesquiou, der zum Vorbild für mehrere exzentrische Romanfiguren seiner Zeit wurde, denJean Floreasses des Esseintes inGegen den Strich (À rebours) vonJoris-Karl Huysmans sowie denBaron de Charlus (und teilweise auch dessen NeffenRobert de Saint-Loup) inAuf der Suche nach der verlorenen Zeit (À la recherche du temps perdu) vonMarcel Proust. Montesquiou hatte Proust in die Salons desfranzösischen Adels eingeführt, die dieser dann vor allem in seinen BändenLe côté de Guermantes undSodome et Gomorrhe (1920/21) verewigte. Es wird teilweise die These vertreten, Montesquiou sei auch das Vorbild für die Hauptfigur inOscar Wildes RomanDas Bildnis des Dorian Gray (1890) gewesen.[7] Zumindest war Huysmans Roman dabei eine Anregung für Wilde.
Richard von Schaukal setzte mit seinem wohl bekanntesten ProsatextLeben und Meinungen des Herrn Andreas von Balthesser (1907) dem Typus des Dandys ein Denkmal.
Thomas Manns RomanfigurFelix Krull wird von Anne Kristin Tietenberg als „die Dandy-Figur der deutschsprachigen Literatur überhaupt“ bezeichnet.[8] Wie kein Anderer wisse diese Figur die Wirkung von Kleidung und entsprechender Attitüde für sich zu nutzen. Selten sei „dieses Phänomen so deutlich, so nachvollziehbar, so unterhaltsam und so wenig belehrend wie von Thomas Mann inDie Bekenntnisse des Hochstaplers Felix Krull beschrieben.“[9]
Die englische MusikgruppeThe Kinks veröffentlichte 1966 das StückDandy, welches die Überlebtheit dieses Lebensstils zum Inhalt hat. Die Coverversion vonHerman’s Hermits wurde im selben Jahr ein ähnlich großer Erfolg.
Das zwölfte und letzte Album der BandT. Rex aus dem Jahr 1977 heißt wie das EröffnungsstückDandy in the Underworld.
Durch die Verballhornung des NamensAndy Warhol kamen dieDandy Warhols zu ihrem Namen.