Alscollegium wird dasInstitut desantiken römischenVereinsrechts bezeichnet.Collegia waren nichtstaatliche Zusammenschlüsse, die aufgrund ihrer Aufgaben häufig einenöffentlich-rechtlichen Charakter auswiesen. Das antike Vereinsrecht weist eine von den modernen Vorstellungen und Voraussetzungen abweichende Entität auf, was nicht nur an den mitgliedschaftlichen Grundzügen liegt, sondern auch am einst verfolgten Prinzip derverrechtlichten Religion.
Das Mitglied einescollegiums wurde alscollega bezeichnet. Insbesondere die Zusammenschlüsse von Angehörigen bestimmter Berufsgruppen, die sogenannten Handwerker- und Händlervereine, existierten in großer Zahl im gesamtenRömischen Reich. Nebencollegium finden sich für diese Vereine auch diverse andere Bezeichnungen, darunter die lateinischen Begriffecorpus undsodalitas sowie die griechischen Bezeichnungenkoinon,synodos,synergion undhetaira.[1]
Zu nennen sind besonders diezunftähnlichen Zusammenschlüsse von Berufsgruppen, etwa die der Handwerker (collegia opificum), die im Kontext zursocietas oder den Regelungen zurlocatio conductio stehen, oder der Kaufleute (collegia mercatorum), aber auch Kultverbände (sodalitates odersocii cultores) sowie Begräbnisvereine (collegia funeraticia). Daneben existierten auch Vereine von Staatsbeamten (decuriae apparitorum) und die aus der römischen Frühzeit stammendencollegia der Stadtviertel oder der Bezirke des ländlichen Raumes (montani,vicani,pagani).[2] Neben den zahlreichen öffentlichen und traditionell-sakralen Aufgaben,[3] gehörte zu den Tätigkeiten der Institutionen auch der Austausch und das gemeinsame Vergnügen. So nannten sich die Mitglieder untereinander „Freund“ oder „Gefährte“ (socius,sodalis). Ebenfalls alscollegia angesehen wurden von denrömischen Juristen die jüdischen Gemeinden. In denjustinianischenQuellen korrespondieren Begriffe des Rechts derexcusatio undimmunitas mit dem Begriffshof descollegium.
Der Umfang des Begriffs führt zu sehr unterschiedlichen interdisziplinären Ansätzen bei der Interpretation von Inschriften zum Vereinsrecht. Beteiligt sind daran verschiedene Zweige derAltertumswissenschaft, derRechtsgeschichte, derReligionswissenschaft und derWirtschaftsgeschichte.[4]
In derrömischen Frühzeit war die Bildung der Vereine frei und erfolgte schlicht durch den Zusammenschluss interessierter Personen. Mit demZwölftafelgesetz wurde festgeschrieben, dass eincollegium sich eine beliebige Satzung geben darf, solange diese nicht gegen geltendes Recht verstößt.[5] Spätestens seit demBacchanalienskandal konnte der Staat jedoch Vereine auflösen oder ihre Gründung verbieten. 64 v. Chr. wurden alle politisch verdächtigen Vereine wegen der von ihnen ausgehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung(coetus) verboten, 58 v. Chr. wurde das Verbot durchPublius Clodius Pulcher wieder aufgehoben. Zwei Jahre später hingegen wurden schließlich alle politischen Vereine verboten. Hintergrund war, dass sich politische Parteien in dieser Zeit unter dem Deckmantel einer Vereinsgründung dazu organisierten, Wähler zu bestechen oder gar offen gewalttätig wurden.
Gaius Iulius Caesar schließlich soll alle Vereine aufgelöst haben, soweit diesen der Nachweis „alter und rechtmäßiger“ Begründung und Führung nicht gelang.[6]Augustus bestätigte derartige Maßnahmen während seiner Regentschaft. Dann jedoch erließ er dielex Iulia de collegiis, die – wie nahezu allecollegia betreffende Vereinsregularien[7] – nur durch eineInschrift bekannt, aber nicht vollständig überliefert ist.[8] Nunmehr bedurfte jede Neugründung einer staatlichen Genehmigung,[9] wurde bei unpolitisch aktiven Vereinen des einfachen Volkes im Regelfall erteilt. In denspätantikenDigesten findet sich zum Vereinsrecht mitDe collegiis et corporis lediglich eine habhafte schriftliche Quelle,[10] im Übrigen ist man nahezu ausschließlich auf die Analyse von Inschriften angewiesen.
Die inneren Angelegenheiten waren in der Regel dem Verein selbst überlassen. Die wesentlichen Bestimmungen zur Aufnahme sowie den Rechten und Pflichten von Mitgliedern wie auch zur juristischen Vertretung der Organisation wurden in einer Satzung (lex collegii) festgeschrieben. Wenn die Zahl der Mitglieder unter drei sank, galt eincollegium als aufgelöst[11] (dieser Grundsatz wurde alstres faciunt collegium zusammengefasst). Dies hatte den Hintergrund, dass eincollegium schon wortgemäß nur aus mindestens zwei Personen bestehen konnte, es bei einer Abstimmung zur Vermeidung einer Patt-Situation aber einer ungeraden Mitgliederanzahl bedurfte, sodass die kleinste ungerade Mitgliederanzahl bei drei Personen liegen musste.[12] Nicht selten konnten auchFrauen undSklaven Mitglieder werden. Nach außen hin durfte ein Verein als Träger privater Rechte agieren und in Form einerjuristischen Person imZivilprozess alsPartei auftreten. Aus der Mitgliedschaft konnten jedoch keine Ansprüche abgeleitet und eingeklagt werden. Das Vereinsvermögen war vom Privatvermögen der Mitglieder getrennt und stand unter der gemeinschaftlichen Verwaltung.[13]
In derKaiserzeit wurde in einigenSenatsbeschlüssen undkaiserlichen Erlassen die Vereinsbildung weitergehend geregelt. Insbesondere die für die Armee wichtigen Collegia der Maultiertreiber, Pferdepfleger, Wagner, Veterinäre, Schiffseigner sowie der Metzger, Müller und Bäcker wurden in der Spätantike zunehmend staatlicher Überwachung unterworfen, zu Dienstleistungen verpflichtet und in das staatliche Versorgungssystem der Armee eingegliedert, nachdem die Sklavenarbeit an Bedeutung verloren hatte. Die Zwangsmitgliedschaft wurde zur Regel; Bäcker und Müller durften sich zum Beispiel nicht aus der Zunft entfernen.[14] Aber auch andere Gruppen der Bevölkerung in staatlichen Handwerksbetrieben unterlagen einer immer stärkeren, oft sogar vererbbaren beruflichen Bindung, sodass seit dem 4. Jahrhundert immer mehr Menschen versuchten, der ruinösen Dienstleistungspflicht zu entgehen.[15]
ImByzantinischen Reich lebten die Zwangskollegien fort, verloren aber vom 7. bis zum 11. Jahrhundert außer in den staatlichen Betrieben fortwährend an Bedeutung. Zeitweise wurden Monopole und Monopolpreise verboten, dann wieder erlaubt. In größerer Abhängigkeit befanden sich die an die Grundherren gebundenen Zünfte imbyzantinischen Ägypten.[16]
DasSassanidenreich und die Araber übernahmen die Strukturen dercollegia zunächst nahezu unverändert von den Byzantinern.[17]