1935 wurde sein Vater, der nach der Schließung vonSalem wegen „jüdischer Versippung“ mit einem Berufsverbot belegt war, amKolleg St. Blasien als Philologe angestellt. Von September 1946 bis Dezember 1947 war Christian Sigrist dort Internatsschüler. In einem Interview schilderte er ein Klima der Repression, Prüderie und Gewalt. Auch habe es eine antisemitische Grundstimmung gegeben. Mit „Wir sind hier doch nicht in einer Judenschule!“ wurde zur Ordnung gerufen.[1]
Während seiner wissenschaftlichen Karriere unternahm er Feldforschungen inAfghanistan undGuinea-Bissau und veröffentlichte zahlreiche Artikel und Reportagen zu Problemen der Dritten Welt. Schwerpunkt seiner Arbeiten zur Gesellschaftstheorie waren nach eigener Aussage die „Kritik von Herrschaftsverhältnissen und ihrer Rechtfertigung durch liberale Ideologen (Dahrendorf) und Systemtheoretiker (Luhmann)“. Außerdem forschte er zu Übergangsgesellschaften,Befreiungsbewegungen,Agrar-,Rechts- undEntwicklungssoziologie.
Seit 1978 war Christian Sigrist als agrarsoziologischer Berater deskap-verdischen Ministers für ländliche Entwicklung tätig. Ferner war er 1986 Sachverständiger beim Afghanistan-Hearing des Auswärtigen Ausschusses desDeutschen Bundestages. Zudem wirkte er als Organisator eines israelisch-palästinensisch-deutschen Symposiums über „Perspektiven der Koexistenz“.
Sigrist verteidigteUlrike Meinhof nach deren Zustimmung zumAnschlag desSchwarzen September 1972 in München gegen Vorwürfe desAntisemitismus. Er engagierte sich in Solidaritätskomitees und veröffentlichte einen Aufsatz über die Sympathie der Dritten Welt mit den Militanten in der Ersten Welt in der ZeitschriftKursbuch unter dem TitelFolter in der BRD.
Sigrist äußerte nach dem11. September 2001 in der anarchistischen MonatszeitungContraste Kritik an der amerikanischen Politik:
„Das ist keine Rechtfertigung, das ist auch keine Gleichgültigkeit gegenüber dem Leid der Menschen, aber die Brutalität, welche der amerikanische Imperialismus weltweit verübt, schlägt auf ihn zurück.“
Zudem forderte er in demselben Interview die US-amerikanische Regierung auf, weniger jüdische und mehr arabische Politiker in der Nahost-Politik einzusetzen, um Vertrauen aufzubauen. Contraste distanzierte sich eine Ausgabe später von den Aussagen Sigrists, da diese „offene antisemitische Aussagen“ beinhalteten.[3]
Über das Fehlen und die Entstehung von Zentralinstanzen in segmentären Gesellschaften. In:Zeitschrift für Ethnologie, Band XXXVII (37), Nr. 2, 1962.
Segmentäre Gesellschaften. Dissertation. Freiburg i. Br. 1965.
Regulierte Anarchie. Untersuchungen zum Fehlen und zur Entstehung politischer Herrschaft in segmentären Gesellschaften Afrikas. (Texte und Dokumente zur Soziologie. Studien des Instituts für Soziologie. Hrsg. vonHeinrich Popitz.) Walter, Olten u. Freiburg i. Br. 1967ISBN 3-434-46216-3.
Imperialismus. Provokation und Repression. In:Kursbuch, Nr. 32, 1973,Folter in der BRD: Zur Situation der Politischen Gefangenen.
Strukturdifferenzen der Agrarrevolution in Rußland und China. Mit Amano. In: P. Hennicke undErnest Mandel (Hrsg.):Probleme des Sozialismus und der Übergangsgesellschaften. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1973.
Probleme des demokratischen Neuaufbaus in Guinea-Bissao und auf den Kapverdischen Inseln. 1977.
Gesellschaften ohne Staat und die Entdeckungen der 'social anthropology'. In: Fritz W. Kramer u. Christian Sigrist (Hrsg.):Gesellschaften ohne Staat, Band 1, 1978, S. 28ff.
Akephale politische Systeme und nationale Befreiung. In: J. H. Grevemeyer (Hrsg.):Traditionelle Gesellschaften und europäischer Kolonialismus, Frankfurt am Main, 1981.
Wissenschaft. Widerstand und Autorität. Widerspruch Verlag 1981.
Regulierte Anarchie. Eine Anthropologie herrschaftsfreien Zusammenlebens. In: Kindlers Enzyklopädie:Der Mensch. Band 8, München, 1984, S. 108–125.
Primärer Egalitarismus horizontaler Gesellschaften und etatischer Sozialismus. In: Richard Faber (Hrsg.):Sozialismus in Geschichte und Gegenwart, Königshausen & Neumann, Würzburg 1994.
Ethnizität als Selbstorganisation. In:Reinhart Kößler und Tilman Schiel (Hrsg.):Nationalstaat und Ethnizität. IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 1994, S. 45–56.
Segmentary Societies. In: Bernhard Streck (Hrsg.):Segmentation und Komplementarität,Orientwissenschaftliche Hefte, Band 14, 2004.
Herausgeber
Indien. Bauernkämpfe: Die Geschichte einer verhinderten Entwicklung von 1757 bis heute. Mit Amalendu Guha,Gerhard Hauck u. Sarma V. Marla. Wagenbach, Berlin 1976.
Christine Idems u. Matthias Schoormann (Hrsg.):Soziologie im Minenfeld. Zum 65. Geburtstag von Christian Sigrist. LIT-Verlag, Münster 2000ISBN 3-8258-4676-8.
Gunter Best u. Reinhart Kossler (Hrsg.):Subjekte und Systeme. Soziologische und Anthropologische Annäherungen. Festschrift für Christian Sigrist zum 65. Geburtstag. IKO-Verlag für Interkulturelle Kommunikation, Frankfurt am Main 2000ISBN 3-88939-532-5.