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Chassidismus

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Dieser Artikel beschreibt den modernen Chassidismus. Zu anderen Bedeutungen sieheChassidismus (Begriffsklärung).
DerRebbe vonBotoschan mit seinenChassidim (und einigen nicht-chassidischen Gästen)

DerChassidismus (auchHassidismus geschrieben; vonhebräischחסידותchassidut, chassidus, deutsch‚Frömmigkeit‘) ist eine religiöse, stark traditionsorientierte und in ihren Ursprüngen auch mystische Strömung, die demultraorthodoxen oder charedischen Judentum angehört. Er entstand im 18. Jahrhundert unter denosteuropäischen Juden, hat seine Zentren heute aber infolge desHolocausts in erster Linie in denVereinigten Staaten von Amerika und inIsrael. Seine Anhänger, dieChassidim oder eingedeutschtChassiden (Aussprache [χaˈsiːden]), organisieren sich in zahlreichen Gruppierungen, die je von einemAdmor (auchRebbe oderZaddik genannt) angeführt werden, deren Amt sich dynastisch über die Generationen vererbt. 2016 gab es über 130.000 chassidische Familien weltweit und mehr als 230Rebbes.

Entstehung

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Verschiedene Gründe führten zur Herausbildung des Chassidismus. Einer war die Popularisierung der mystischen Überlieferung derKabbala im 17. Jahrhundert, ein anderer der Zerfall der traditionellen jüdischen Autoritätsstrukturen im Königreich Polen des 18. Jahrhunderts.

Der Legende nach istIsrael ben Elieser (um 1700–1760), genanntBaal Schem Tov („Meister des guten Namens“), der Begründer des osteuropäischen Chassidismus. Seine Gründungsreisen wurden dokumentiert, in denen er alsWunderheiler undExorzist vonDämonen und bösen Geistern(shaydim) auftrat. Die spätere chassidischeHagiographie spielte die Bedeutung seiner Wunderheilertätigkeit und seiner magischen Praktiken herunter und betonte dagegen seinCharisma, seine Lehre und Anziehung auf Menschen und seine ekstatische Persönlichkeit.[1] Er warWaise und genoss wenig jüdische Bildung. Gemäß der späteren chassidischen Legende soll er aber Visionen gehabt haben, in denen ihm der ProphetAhija von Schilo erschienen sein soll, der als Lehrer des bedeutenden ProphetenElija gilt.[2] Zu seinen wichtigsten Nachfolgern gehören RabbiDow Bär, der „Maggid von Mesritsch“, und RabbiJakob Josef von Polonoje.

Innerhalb eines Jahrhunderts verbreitete sich der Chassidismus in den jüdischen GemeindenPolen-Litauens und des östlichenÖsterreich-Ungarns.

Inhalte

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Wichtigste chassidische Gemeinschaftsfeier ist der vom Zaddik geleitetetisch, der je nach chassidischer Gemeinschaft an jedem Feiertag oder zusätzlich auch jeden Samstag/Schabbat(schabbes) zelebriert wird. Eintisch besteht aus dem im Judentum üblichen Gemeinschaftsmahl mitKiddusch und folgendenNiggun-Gesängen, die hier aber lang anhaltend gesungen und getanzt werden. Foto mit Erlaubnis von Eli Segal

Der Baal Schem Tov und seine Nachfolger betonten den Wert des traditionellen Studiums derTora und der mündlichen Überlieferung, desTalmud und seiner Kommentare. Daneben gewann die mystische Tradition derKabbala erheblichen Einfluss. Über dieses Studium hinaus steht im Chassidismus das persönliche und gemeinschaftliche religiöse Erlebnis an vorderster Stelle.

Die Chassidim (Mehrzahl von Chassid) versammeln sich besonders amSchabbat und denjüdischen Festtagen um ihrenRabbi (jiddischRebbe), um in Gebet, Liedern und Tänzen und auch religiöser Ekstase Gott näher zu kommen.

Der chassidische Rabbi, genanntZaddik („Gerechter“, „Bewährter“, von hebräischzedek „Gerechtigkeit“) oderAdmor, ist ein charismatischer Führer und Mittelpunkt der Gemeinde und gibt die chassidischen Lehren – oftmals in Form von Erzählungen und Gleichnissen – an seine Schüler weiter. Berühmtes Beispiel für einen Zaddik istRabbi Nachman von Brazlaw, Urenkel des Baal Schem Tov und Gründer einer eigenen chassidischen Richtung, desBrazlawer Chassidismus. Jedes Jahr zum jüdischen Neujahrsfest treffen sich tausende Chassiden inUman in der Ukraine, da das Verbringen des jüdischen NeujahrsRosch ha-Schana an dessen Grab als glücksbringend gilt.[3]

Im Chassidismus kommt der Musik, die nach mystischer Anschauung einen göttlichen Ursprung hat, eine zentrale Bedeutung zu. Gesangsmelodien(Niggunim) wurden teilweise sogar höher gewertet als gesprochene Gebete. Chassidim sprachen dem Zaddik die Fähigkeit zu, durch Gesang die Seele eines Menschen auszuloten und sie in eine höhere Existenzebene zu versetzen. Viele Melodien wurden von Volksliedern übernommen und uminterpretiert.[4] Auch dem Tanz kommt im Chassidismus eine wichtige Rolle zu. In diesem wird der Gottesdienst nicht nur mit der Seele, sondern mit dem ganzen Körper vollzogen.[5]

Gegner des Chassidismus

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Zur Zeit seiner Entstehung erwuchs dem Chassidismus innerhalb des Judentums Widerstand aus zwei entgegengesetzten Richtungen: einerseits aus den Reihen derMisnagdim (sephardische Aussprache:Mitnagdim, wörtlich: „Gegner“). Dies warentalmudisch geschulte Kreise, vor allem in litauischenJeschiwot. Wichtigster Vertreter der Misnagdim war derGaon von Wilna, der 1772 und 1782 den Chassidismus mit einem Bann belegte. Er befürchtete aufgrund der Spontaneität und der Lebenslust der Chassidim Nachlässigkeit bei der Erfüllung derMitzwot („Gebote“); auf Unverständnis stieß auch die Ablehnung vonKasteiung und asketischer Lebensweise seitens der Chassidim und die Forderung, dass selbst einZaddikTeschuva (hebr. „Umkehr, Rückkehr, Buße“) tun muss, um sich spirituell weiterzuentwickeln.[6]

Andererseits empfanden dieMaskilim, dieAufklärer wieJosef Perl, den Chassidismus als rückständig. Zwischen säkular geprägter, rationaler Aufklärung und der Mystik des Chassidismus entstand eine schwer überwindbare tiefe Kluft.

BekannteTzaddikim undRebbes

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Mosche Teitelbaum

Die bekanntesten chassidischenTzaddikim im 18. und 19. Jahrhundert, deren Leben auch vonChajim Bloch in seiner SammlungChassidische Geschichten nacherzählt werden, sind folgende:

Nachkriegs-Chassidismus

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Chassidische Traditionen wurden in Europa mit der Vernichtung der osteuropäischen Juden durch denNationalsozialismus beinahe ausgelöscht. In Israel (besonders inBnei Brak undJerusalem), Nordamerika (besonders in den RegionenNew York undMontréal) und auch in Westeuropa (London,Manchester,Antwerpen,Zürich,Wien) konnte sich der Chassidismus erfolgreich reorganisieren und befindet sich heute aufgrund des starken Bevölkerungswachstums innerhalb der chassidischen Gruppen wieder in einem starken Aufschwung.

Die zahlenmäßig größte Gruppe sind dieSatmarer (26.100 Familien; ursprünglich ausSatu Mare im heute rumänisch-ungarischen Grenzgebiet stammend). Die bekannteste chassidische Gemeinschaft der Gegenwart stellt dieChabad-Bewegung (auchLubawitscher genannt) dar mit über 16.500 Familien insgesamt, ursprünglich ausLjubawitschi im heute russisch-belarussischen Grenzgebiet stammend. Weitere größere Gemeinschaften sind dieGerer (11.900 Familien; ursprünglich ausGóra Kalwaria bei Warschau stammend), die verschiedenenWischnitzer Sekten (insgesamt 9.200 Familien, geteilt zwischen vier Hauptdynastien; ursprünglich ausWyschnyzja in der Bukowina stammend), dieBelser (7.500 Familien; ursprünglich aus dem galizianischenBels stammend) und dieBrazlawer (7.100 Familien; ursprünglich ausBrazlaw in der Ukraine). Daneben gibt es zahlreiche weitere kleine Gruppierungen. Für 2016 rechnete man mit über 130.000 chassidischen Familien weltweit und mehr als 230 Zaddikim.[7]

Die verschiedenen chassidischen Gruppen unterscheiden sich heutzutage in ihrer Lehre. Die Rebbes derSanzer, Satmarer und Belser beispielsweise legen Wert auf das Studium der Tora und dementsprechend auf eine strikte Einhaltung von deren Regeln und der Tradition. Andere Gruppierungen wie die Wischnitzer vertreten eine charismatische Linie, in welcher der Zaddik im Zentrum der Bewunderung und Verehrung steht. Einige wenige Gruppierungen wie diejenigen derSiditschower pflegen heute noch die mystische Spiritualität des 18. Jahrhunderts und ermutigen die Mitglieder zum Studium der Kabbala. Wieder andere legen den Fokus auf Kontemplation und innere Perfektion. In der Regel finden sich aber bei allen chassidischen Gruppierungen verschiedene Kombinationen und Gewichtungen der vorgenannten Aspekte.

Martin Buber (1878–1965) hat Anfang des 20. Jahrhunderts den Chassidismus über viele Jahre untersucht und mehrere Bücher darüber geschrieben. Buber wurde jedoch in manchen akademischen Kreisen als Nostalgiker, Romantiker und Verfälscher kritisiert.[8]

Siehe auch

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Literatur

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Sachbücher

Artikel

Dokumentation

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Weblinks

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Commons: Chassidismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Chassidismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Belege

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  1. Encyclopaedia Judaica. 2. Auflage.Band 10,S. 744,Haim Hillel Ben-Sasson (englisch). 
  2. Peretz Golding: The Baal Shem Tov—A Brief Biography – Jewish History. Chabad.org, abgerufen am 12. März 2013 (englisch). 
  3. In Uman erschienen zur Feier des jüdischen neuen Jahres fast 30.000 Chassidim, unian, 14. September 2015
  4. Ḥasidism. In:Encyclopaedia Judaica. Band 8:(Gos–Hep). 2. Auflage. Keter Publishing House, 2007, S. 393–434, hier S. 427
  5. Shmuel Barzilai:Musik und Exstase (Hitlahavut) im Chassidismus. Peter Lang GmbH, Frankfurt a. M. 2007,ISBN 978-3-631-55666-5, S. 72.
  6. Yosef Yitzchak Schneerson von Lubawitsch:Kuntres Bikur Chicago. New York 1955, S. 22–24; keine ISBN
  7. Marcin Wodziński:Historical Atlas of Hasidism. Cartography by Waldemar Spallek. Princeton University Press, Princeton/Oxford 2018, S. 192–205.
  8. Joseph Dan:A Bow to Frumkinian Hasidism. In:Modern Judaism. Mai 1991,JSTOR:1396266 (englisch). 
Normdaten (Sachbegriff):GND:4009799-7 (GND-Explorer,lobid,OGND,AKS)
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