Carlos Fuentes’ Vater war mexikanischerDiplomat und in den 1930ern u. a. Botschafter inWashington. Fuentes selbst lernte deshalb als Heranwachsender zahlreiche LänderMittel- und Südamerikas sowie dieUSA inklusive deren Kultur und Literatur kennen und erhielt eine hochprivilegierte Schulbildung.
Bei seinen eigenen ersten literarischen Versuchen stand er vor allem unter dem Einfluss vonPablo Neruda. Mit sechzehn Jahren ging Fuentes dauerhaft nach Mexiko und schloss seine höhere Schulausbildung inMexiko-Stadt ab. Während dieser Zeit arbeitete er an der ZeitschriftHoy (Heute) mit und erhielt einen ersten Literaturpreis vomColegio Francés Morelos. Anschließend studierte erWirtschaftswissenschaften inGenf undJura an derNationalen Autonomen Universität in Mexiko-Stadt.Nach dem Studium arbeitete Fuentes zunächst – wie sein Vater – als Diplomat in Chile und Argentinien. Ab 1959 betätigte er sich ausschließlich als Schriftsteller undDrehbuchautor.
Eine an Fuentes erinnernde Plakette an seinem Wohnort in Paris
Ab 1990 lebte Fuentes inEuropa, vor allem inLondon, sowie zeitweise in den USA, wo er einen Lehrauftrag an derHarvard University erhielt.
Carlos Fuentes starb 2012 und wurde auf demCimetière Montparnasse in Paris beigesetzt, wo auch seine Kinder beerdigt sind. Seinem Sohn Carlos Fuentes Lemus (1973–1999) ist der RomanDas Gläserne Siegel gewidmet.
Fuentes beschäftigte sich in seinenErzählungen,Essays undRomanen mit dem Alltag und der Geschichte Mexikos und Lateinamerikas, insbesondere mit den Unabhängigkeitsbewegungen und Revolutionen der zentral- und südamerikanischen Länder. Er verfolgte die Identität Zentralamerikas bis in die vorkolumbianische Zeit und bis zu den römischen Wurzeln der hispanischen Zivilisation zurück. Als wichtiger und erfolgreichster Vertreter der mexikanischen Gegenwartsliteratur stellte er mit verschiedenen stilistischen Mitteln die inneren Konflikte und die innere Zerrissenheit junger mexikanischer Intellektueller dar. Der Emanzipation der Frau galt sein besonderes Augenmerk. Später widmete er sich in seinen Romanen auch dem Verhältnis zwischen Europa und Amerika und nahm auch Stellung zumNord-Süd-Konflikt.
Seine ersten Erzählungen veröffentlichte er 1954 in dem BandVerhüllte Tage, der zu einem Bestseller im Heimatland wurde. Das galt auch für seinen ersten RomanLandschaft in klarem Licht (1958; dt. 1974), der als erster ein umfassenderes Bild des modernen Mexiko-Stadt und die Entwicklung der nachrevolutionären Generation zeichnete. Bald leitete er Zeitschriften wieRevista Mexicana de Literatura undEl Espectador.
InLa muerte de Artemio Cruz (1962) kritisierte er den mexikanischen Nationalismus und die geringe Reife Mexikos zur Demokratie. Als eines seiner wichtigsten und interessantesten Werke kann der umfangreiche und komplexe RomanTerra Nostra (1975) betrachtet werden, in dem er in kunstvoller Montage das Mexiko der Gegenwart mit der mexikanischen Kolonisationsgeschichte verwebt.Christoph, Ungeborn vermittelte eine Beschreibung Mexikos der 1980er- und 1990er-Jahre. Der RomanDer alte Gringo (1985) über den AutorAmbrose Bierce wurde 1989 mitJane Fonda undGregory Peck mit dem TitelOld Gringo verfilmt.
Stilistisch wirkte er prägend auf jüngere Autoren Mexikos. In der stilistischen Vielfalt seines Spätwerks ging gelegentlich der rote Faden verloren.
Fuentes verstand sich im Allgemeinen als politisch links, begrüßte anfänglich die kubanische Revolution und vertrat in seinen Werken oft die Sache des „kleinen Mannes“ und der Gewerkschaften. Später nahm er konservativere Positionen und eine differenzierte Haltung zu den USA ein, blieb jedoch unversöhnlich gegenüberGeorge W. Bush, mit dem er in seiner 2004 erschienenen AufsatzsammlungContra Bush abrechnete. InMein FreundKundera von 1979 äußert sich Fuentes zum Verhältnis von Politik und Literatur:
„Seit damals (sc. demPrager Frühling) teile ich mit dem tschechischen Schriftsteller die Ansicht, und nach jeder Begegnung mehr, dass der Roman ein unerlässlicher, unentbehrlicher Bestandteil derZivilisation ist, die wir, ein Tscheche und ein Mexikaner, gemeinsam haben können: eine Art und Weise, Dinge zu sagen, die auf andere Weise nicht gesagt werden könnten. Damals (sc. in derČSSR) redeten wir viel miteinander, später dann in Paris, in Nizza, inLa Renaudière, als er mit seiner Frau Vera nach Frankreich kam und dort ein neues Zuhause fand, da in seinem zur ‚Normalität‘ zurückgekehrten Vaterland seine Romane weder veröffentlicht, noch gelesen werden durften.[3]“
Deutsche Ausgaben:Landschaft in klarem Licht. Aus dem mexikanischen Spanisch übersetzt von Maria Bamberg. Verlag Volk und Welt, Berlin 1974. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1981,ISBN 3-423-01611-6. Süddeutsche Zeitung Bibliothek Bd. 10, München 2010.ISBN 978-3-86615-792-7.
Las buenas conciencias (1959)
La muerte de Artemio Cruz (1962)
Deutsche Ausgabe:Nichts als das Leben. Aus dem mexikanischen Spanisch übersetzt von Christa Wegen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1964 und 8. Auflage Suhrkamp, Frankfurt 1990,ISBN 3-518-36843-5. (In der ehemaligen DDR unter dem Titel:Der Tod des Artemio Cruz. Verlag Volk und Welt, 2. Auflage, Berlin 1982)
Zona Sagrada (1967)
Cambio de piel (1967) –Hautwechsel. Deutsch von Christa Wegen. Rowohlt, Reinbek 1990,ISBN 3-499-12398-3
Terra Nostra (1975) –Terra nostra. Deutsch von Maria Bamberg. Deutscher Taschenbuch-Verlag dtv, München 1992,ISBN 3-423-10043-5
La cabeza de la hidra (1978) –Das Haupt der Hydra. Aus dem mexikanischen Spanisch von Maria Bamberg. Mit einem Nachwort von Hans-Jürgen Schmitt. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 1994,ISBN 3-423-19031-0
Una familia lejana (1980) –Die Heredias. Roman. Aus dem mexikanischen Spanisch übertragen von Maria Bamberg. Ullstein, Berlin 1985ISBN 3-548-20578-X
Gringo Viejo (1985) –Der alte Gringo. Aus dem mexikanischen Spanisch übertragen von Maria Bamberg. Volk und Welt, Berlin 1988ISBN 978-3-353-00354-6
Cristóbal Nonato (1987) –Christoph, Ungeborn: Das Vorleben und die Ansichten, die Geschichte und die gesammelten Erfahrungen des sinnreichen Kindes Cristóbal Nonato. Gelesen, nachgelesen, ausgelesen und für geneigte Leser aus dem mexikanischen Spanisch und anderen Idiomen in verständiges Deutsch gebracht von Maria Bamberg. Rowohlt, Reinbek 1994ISBN 3-499-13249-4
Diana o la cazadora solitaria (1996) –Diana oder Die einsame Jägerin. Übers. Ulrich Kunzmann.[4] Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1998ISBN 3-596-13714-4
Los años con Laura Díaz (1999) –Die Jahre mit Laura Diaz. Übers. Ulrich Kunzmann. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2002ISBN 3-596-14811-1
Instinto de Inez (2001) –Das gläserne Siegel. Aus dem Spanischen von Sabine Giersberg.[5] Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2004,ISBN 3-596-15940-7
La Silla del Águila (2003)
Todas las familias felices (2006) –Alle glücklichen Familien. Übersetzt von Lisa Grüneisen. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2010,ISBN 978-3-596-17869-8
Los días enmascarados (1954) –Verhüllte Tage. Erzählungen. Aus dem mexikanischen Spanisch übersetzt und mit einem Nachwort versehen von Maria Bamberg. Manesse, Zürich 1988,ISBN 3-7175-8132-5
Aura (1962) –Aura [Novelle].Aura: Novelle & Essay in einem Band. Aus dem Spanischen von Christa Wegen (Novelle). Aus dem Amerikanischen von Barbara von Bechtolsheim (Essay) Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1999,ISBN 3-596-13988-0
Cantar de ciegos (1964) –Die Puppenprinzessin;Zweimal Elena [Neufassung von Cantar de ciegos]
Cumpleaños (1969) –Zwei Novellen. Aura und Geburtstag. NachwortJuan Goytisolo. Übers. Christa Wegen Suhrkamp, Frankfurt 1976ISBN 3-518-01505-2
Chac Mool y otros cuentos (1973) –Chac Mool. Übers. Maria Bamberg. Rowohlt, Reinbek 1990ISBN 3-499-12390-8
Agua quemada (1981) –Verbranntes Wasser. 4 Erzählungen. Übers. Maria Bamberg. Rowohlt, Reinbek 1990ISBN 3-499-12456-4
Constancia y otras novelas para vírgenes (1990) –Constancia und andere Geschichten für Jungfrauen. Aus dem mexikanischen Spanisch von Veronika Schmidt. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2000ISBN 3-596-14599-6
El naranjo o los círculos del tiempo (1993). Sammlung von Kurzgeschichten:
Las dos orillas
Los hijos del conquistador
Las dos Numancias
Apolo y las putas
Las dos Américas
La frontera de cristal (1995) –Die gläserne Grenze. Übers. Sabine Giersberg. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 2004,ISBN 3-596-15940-7.
Weitere Ausgabe:Die gläserne Grenze: Roman in neun Erzählungen. Übers. Ulrich Kunzmann. Hoffmann und Campe, Hamburg 1998,ISBN 3-455-02064-X
Inquieta compañía (2004) –Unheimliche Gesellschaft. Sechs phantastische Erzählungen. Aus dem Spanischen von Lisa Grüneisen. S. Fischer, Frankfurt am Main 2006ISBN 978-3-10-020752-4
Myself and others – Von mir und anderen (dt. 1989). Aus dem Amerikanischen übertragen von Barbara von Bechtolsheim.[7] Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart 1989ISBN 3-421-06511-X
Valiente mundo nuevo (Épica, utopía y mito en la novela hispanoamericana) (1990)
El espejo enterrado (1992) –Der vergrabene Spiegel. Die Geschichte der hispanischen Welt. Aus dem Amerikanischen von Ludwig Schubert. Überarbeitete Neuausgabe. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt am Main 1998,ISBN 3-596-13860-4
Geografía de la novela (1993)
Nuevo tiempo mexicano (1995)
Retratos en el tiempo, junto con Carlos Fuentes Lemus. (2000)
Los cinco soles de México. Editorial Seix Barral, 2000ISBN 950-731-293-5
deutsch:Los cinco soles de Mexico. S. Fischer, Frankfurt am Main 2010,ISBN 978-3-10-020754-8
En esto creo (2002) –Alphabet meines Lebens. Woran ich glaube. Übers. Sabine Giersberg. Fischer-Taschenbuch-Verlag, Frankfurt 2006,ISBN 978-3-596-16601-5,ISBN 3-596-16601-2
Alle Katzen sind grau. Aus dem Spanischen vonKarin Kersten undCaroline Neubaur. Playmarket-Theaterverlag Jacobs u. Kersten, Berlin 1976 [Als Manuskript vervielfältigt]
El tuerto es rey (1970)
Los reinos originarios: teatro hispano-mexicano (1971)
Bärbel Bohr:Die Auseinandersetzung mit der Geschichte, Kultur und Literatur Europas im Werk von Carlos Fuentes. Kovac, Hamburg 1998,ISBN 3-86064-798-9.
Robert Brody, Charles Rossmann (Hg.):Carlos Fuentes: A Critical View. Austin, TX, 1982.
Barbara Dröscher, Carlos Rincón (Hg.):Carlos Fuentes’ Welten: kritische Relektüren. edition tranvía, Verlag Walter Frey, Berlin 2003,ISBN 3-925867-71-6.
Gladys Feijoo:Lo fantástico en los relatos de Carlos Fuentes. Aproximación teórica. New York 1985.
Susanne Igler:Erotik und Horror: Verführung durch die Eva podrida in Carlos Fuentes’Aura und „Tlactocazine, del jardín de Flandes“. In: Eva Katrin Müller,Holger Siever, Nicole Magnus Hgg.:Alterungsprozesse: Reifen – Veralten – Erneuern. Beiträge zum 18. Nachwuchskolloquim der Romanistik. Romanistischer Verlag, Bonn 2003, S. 101–117.
Thorsten Kieren:Stille Grandiosität: Die blockierte Zeitlichkeit des Ressentiments im Werk von Carlos Fuentes. Shaker, Aachen 2005,ISBN 3-8322-3944-8, auch in derDNB (PDF; 1,4 MB).
Stephan Leopold:Der Roman als Verschiebung. Studien zu Mythos, Intertextualität und Narratologie in „Terra nostra“ von Carlos Fuentes. Gunter Narr, Tübingen 2003.
Gesine Müller:Die Boom-Autoren heute: García Márquez, Fuentes, Vargas Llosa, Donoso und ihr Abschied von den großen identitätsstiftenden Entwürfen. Vervuert, Frankfurt am Main 2004,ISBN 3-86527-134-0.
Rosa María Sauter de Maihold:Del silencio a la palabra: mythische und symbolische Wege zur Identität in den Erzählungen von Carlos Fuentes. Peter Lang, Bern 1995,ISBN 3-631-48742-8.