Graziadio Carlo Levi oderCarlo Lèvi (geboren29. November1902 inTurin; gestorben4. Januar1975 inRom) war einitalienischer Schriftsteller, Maler, Arzt und Politiker.
Carlo Levi stammte aus einer großbürgerlichen assimiliertenjüdischen Familie; seine Eltern warenErcole Levi undAnnetta Treves. 1917 oder 1918 schrieb er sich zumMedizinstudium an derUniversität Turin ein, das er 1924 abschloss.[1] Er arbeitete zwar von 1924 bis 1928 als Assistenzarzt an einer Turiner Klinik, praktizierte aber nie als regulärer Arzt, da er sich mehr für Politik und Malerei, der er sich ab 1923[2] intensiv widmete, interessierte. So wurde er Mitglied der vonPiero Gobetti geleiteten GruppeRivoluzione liberale („Liberale Revolution“), verbrachte einige Zeit inParis und nahm 1929 an der AusstellungSei pittori di Torino („Sechs Turiner Maler“) teil.
Weil er zusammen mit Carlo und Nello Roselli 1929 dieantifaschistische GruppeGiustizia e Libertà („Gerechtigkeit und Freiheit“) gegründet hatte und sie zusammen mitLeone Ginzburg leitete, wurde Levi von derfaschistischen Regierung im Frühjahr 1934 für zwei Monate in Rom inhaftiert und im Mai 1935 in die süditalienische Region Lucania (Lukanien, heuteBasilicata)verbannt. Dort verbrachte er, nach einiger Zeit im StädtchenGrassano, die Zeit von September 1935 bis Mai 1936 in dem DorfAliano, wo er wegen des Elends der Einwohner unentgeltlich und mit geringen Mitteln als Arzt praktizierte, bis die Provinzverwaltung ihm auch dies untersagte und Behandlungen nur noch heimlich möglich waren. Nebenbei malte er Menschen und Landschaft und erkundete die Bräuche der Einwohner, besonders Magie und Aberglauben.
Nachdem er 1936 vorzeitig durch eineGeneralamnestie freikam, die der faschistische Staat zur Feier derAnnexionAbessiniens imAbessinienkrieg ausgerufen hatte, ging Levi insExil und übernahm von Paris aus die Leitung der GruppeGiustizia e Libertà. 1941 kehrte er nach Italien zurück, wurde inFlorenz festgenommen und eingekerkert. Nach demSturz Mussolinis wurde er freigelassen, suchte Zuflucht imPalazzo Pitti und schrieb dort 1943/1944 sein BuchCristo si è fermato a Eboli (erschienen 1945, s. u.), in dem er seine Erinnerungen an die Zeit in Aliano festhielt, wobei er für Aliano den leicht verschlüsselten NamenGagliano wählte.
Nach dem Ende desZweiten Weltkrieges zog Levi nach Rom, wohnte und lebte seitdem in derVilla Strohl-Fern[3] und arbeitete einige Zeit als Herausgeber der ZeitschriftItalia libera, die zumPartito d’Azione („Partei der Aktion“) gehörte. Er malte weiter (seine Bilder wurden in verschiedenen LändernEuropas und in denUSA ausgestellt) und schrieb weitere Bücher (siehe unten). 1963 wurde er als Unabhängiger auf der Liste derKommunistischen Partei in denSenat gewählt, dessen Mitglied er bis 1972 blieb.
Carlo Levi starb 1975 in einem römischen Krankenhaus anLungenentzündung. Gemäß seinem ausdrücklichen testamentarischen Wunsch wurde er auf dem Friedhof von Aliano bestattet, der während seiner Verbannung dort einer seiner liebsten Aufenthaltsorte war.
Weltberühmt wurde Levi durch sein in 37 Sprachen übersetztes BuchCristo si è fermato a Eboli („Christus kam nur bisEboli“, 1945), dasFrancesco Rosi 1979 mitGian Maria Volonté in derHauptrolle verfilmte. Obwohl es wegen seiner literarischen Form oft alsRoman bezeichnet wird, handelt es sich um seine zwischen Dezember 1943 und Juli 1944 niedergeschriebenen Erinnerungen an die Verbannung nach Aliano (1935/1936), das Levi aus Diskretionsgründen in 'Gagliano' umtaufte, so wie er auch durch bewusste Fehlangaben der Himmelsrichtungen von der genauen Lage des Dorfes ablenkte. Trotzdem wurde die Identität des Ortes ebenso schnell enttarnt wie das Buch berühmt wurde.
Der Titel des Werkes spielt auf eine Redensart der Einwohner Alianos an, die laut Levis Einleitung den abgelegenen Zustand dieses Teils von Lukanien beschreiben soll, für das sich weder die Zentralregierung in Rom noch überhaupt die moderne Welt je interessiert habe. Auch bestanden dort unzureichende hygienische Verhältnisse sowie ein Mangel an medizinischer Versorgung verbunden mit volksmedizinischen und magischen Vorstellungen.[4] Levi legt die Wendung darüber hinaus wörtlich und symbolisch aus und schildert Aliano als einen Ort, in dem die Einwohner ohne Bewusstsein von Politik, Geschichte, Ursache und Wirkung in einer zeitenthobenen Resignation leben; nicht einmal das Christentum stelle hier mehr dar als einen Aberglauben unter vielen anderen.
Dementsprechend beschreibt Levi in zurückhaltender, essayistischer Form das Leben in Aliano, vom Elend der Bauern bis zur lächerlichen Gestalt des faschistischen Bürgermeisters. Seine besondere Stärke sind dabei einprägsame Porträts und Landschaftsbilder, genau wie bei Levis Malerei (s. u.). Daneben wurden noch andere Abschnitte berühmt, besonders die Schilderung der katastrophalen Lebensbedingungen der Einwohner in der ProvinzhauptstadtMatera.
Während die Einwohner Alianos und seiner Region anfangs von Levis offener Beschreibung ihres Elends nicht begeistert gewesen sein sollen, ist das Buch heute in Aliano Schullektüre. Der Ort ist seit den neunziger Jahren zumParco Letterario Carlo Levi („Literaturpark Carlo Levi“) ausgerufen worden.
Deutlich weniger Erfolg hatten Levis weitere Bücher, die daher auch zumeist nicht in deutscher Übersetzung vorliegen.
Weitere Reisebücher sindLe parole sono pietre („Die Wörter sind Steine“, 1955), in dem Levi von drei Reisen durchSizilien berichtet,Il futuro ha un cuore antico („Die Zukunft hat ein altes Herz“, 1956) über eine Reise durch dieSowjetunion undLa doppia notte dei tigli (1959) mit der kritischen Bilanz einer Reise durch Deutschland. InUn volto che ci somiglia (1960) beschreibt Levi Italien. 1965 erschien sein sehr persönlich gehaltenes PorträtSardiniens auf Basis zweier Reisen in der deutschen ÜbersetzungAller Honig geht zu Ende.
Carlo Levis bedeutendste Werke sind fernerPaura della libertà (1946, „Angst vor der Freiheit“) und der RomanL’orologio, 1950 (deutsch „Die Uhr“, 2005) über die italienische Parteipolitik unmittelbar nach Kriegsende, der von Linken wie Rechten ablehnend aufgenommen wurde. Von großer Bedeutung sind auch das in der Blindheit geschriebene BuchQuaderno a cancelli (1979) sowie die Zeichnungen der Blindheit:Carlo Levi inedito: con 40 disegni della cecità, hrsg. von Donato Sperduto (Spes, Milazzo 2002).
Carlo Levi setzte sich bewusst gegen die abstrakte Kunst ab; er suchte eine neue Art von Realismus, die „wahr“ sein sollte, d. h. wederl’art pour l’art noch rein deskriptiv. Während seiner Verbannung nach Süditalien entdeckte Levi (analog zu seinem Durchbruch im Schriftstellerischen) auch in der Malerei seinen eigenen Stil als Verwirklichung dieses Ideals: In Aliano begann er, vorwiegendPorträts der Bauern sowie 'ungeschönte' Landschaftsbilder zu malen, die fortan sein Werk beherrschten. Obwohl Levi kaum zu den erstrangigen Künstlern des 20. Jahrhunderts gezählt werden kann, hat sich sein besonderer Realismus eine unbestreitbare Originalität erobert: Er ist ebenso eigenwillig, wie es Carlo Levi als Mensch gewesen sein soll und wie sein literarisches Werk es ist. Von Bedeutung sind auch seine Bilder und Zeichnungen der Blindheit (1973).
Personendaten | |
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NAME | Levi, Carlo |
ALTERNATIVNAMEN | Levi, Graziadio Carlo (vollständiger Name) |
KURZBESCHREIBUNG | italienischer Schriftsteller, Maler und Politiker |
GEBURTSDATUM | 29. November 1902 |
GEBURTSORT | Turin |
STERBEDATUM | 4. Januar 1975 |
STERBEORT | Rom |