Carl Joachim Friedrich (*5. Juni1901 inLeipzig; †19. September1984 inLexington, Massachusetts) war eindeutsch-amerikanischerPolitikwissenschaftler an derHarvard-University in Cambridge/USA und an derUniversität Heidelberg. Seine Schriften zurStaats- und Verfassungstheorie, zum Konstitutionalismus und zur Regierungslehre machten ihn nach dem Zweiten Weltkrieg zu einem der weltweit bekanntesten Politikwissenschaftler. Auch seine Beiträge zurTotalitarismustheorie fanden große Beachtung. Friedrich war in den sechziger Jahren sowohl Präsident derAmerican Political Science Association (APSA) als auch derInternational Political Science Association (IPSA).
Sein VaterPaul Leopold Friedrich war Professor für Chirurgie, der 1916 als Geheimrat und Generaloberarzt imErsten Weltkrieg über der Erschöpfung seiner Arbeit am Operationstisch eines Feldlazaretts starb. Seine Mutter war die Tochter des ehemaligen Senatspräsidenten beim ReichsgerichtKarl von Bülow.
Einer seiner Brüder war der Unternehmer und spätere Präsident derBundesvereinigung der Deutschen ArbeitgeberverbändeOtto A. Friedrich.
Carl Joachim Friedrich wuchs in Leipzig und nach dem Tod des Vaters inMarburg auf und besuchte dort dasGymnasium Philippinum. Ab 1921 studierte er zunächst Medizin, dann Nationalökonomie an derPhilipps-Universität Marburg und derRuprecht-Karls-Universität Heidelberg. 1925 promovierte Friedrich in Heidelberg beiAlfred Weber, dem Bruder vonMax Weber. Er arbeitete zunächst als Hilfsassistent am Volkswirtschaftlichen Seminar und war Mitarbeiter an dem vonEdgar Salin und Alfred Weber neugegründeten Heidelberger Institut für Sozial- und Staatswissenschaft. In Kooperation mit Alfred Weber und seinem MitdoktorandenArnold Bergstraesser war Friedrich im Zuge der politischen Jugendbewegung 1925 an der Gründung des deutsch-amerikanischen Jugendaustauschs beteiligt, dem Vorläufer desDeutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) und wurde dessen Repräsentant in den Vereinigten Staaten.
Nach seiner Übersiedlung in die USA und seiner Heirat mit einer Amerikanerin wurde Friedrich 1926 Dozent (lecturer) und 1931 außerordentlicher Professor (Assistant Professor of Government) an der renommiertenHarvard University inCambridge (Massachusetts). Er verschaffte sich Ansehen als Spezialist für preußische und europäische Verwaltungsführung und Regierungspolitik, erhielt 1936 an der Harvard-University eine Ordentliche Professur für „Science of Government“ und wurde 1938 Mitglied der Harvard Graduate School of Public Administration, der heutigenJohn F. Kennedy School of Government, deren Leitung er später übernahm.
ImZweiten Weltkrieg engagierte sich Friedrich, der bereits 1938 dieamerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hatte, in der politischen Gegenpropaganda der Vereinigten Staaten und leitete zusammen mit dem SoziologenTalcott Parsons die Harvard School of Overseas Administration und unterstützte die amerikanischen Besatzungstruppen bei derEntnazifizierung. Friedrich war politischer Berater der amerikanischen Regierung und sondierte die Lage im besiegten Deutschland. Er war an der Planung derMoskauer Außenministerkonferenz (1947) und der Ausarbeitung desMarshall-Plans (1947) beteiligt und persönlicher Berater von GeneralLucius D. Clay, dem Chef der amerikanischen Militärverwaltung in Deutschland. Außerdem war er an demGrundgesetzentwurf von Herrenchiemsee sowie der Ausarbeitung deutscher Landesverfassungen beteiligt. Er war auch noch nach Verabschiedung der bayerischen Landesverfassung an der Einführung einesPopularklageverfahrens im Rahmen der Gesetzgebung für die Zuständigkeiten des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs beteiligt[1]. In den Jahren danach beriet er politische Gremien des sich vereinigenden Europas bei der Ausarbeitung eines Entwurfs einer gesamteuropäischen Verfassung für die geplante „Europäische politische Gemeinschaft“. Friedrich gilt bis heute als Vordenker europäischer Integrationstheorien, die in der EU als einen „Staat im Werden“ sehen.
Nach einer bereits 1950 angetretenen Gastprofessur an der Universität Heidelberg erhielt Friedrich 1956 eine Professur für Politische Wissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität. Zwischen 1954 und 1966 lehrte er semesterweise abwechselnd an den Universitäten in Harvard und Heidelberg bis zu seiner Emeritierung im Jahre 1966. Auch nach der Emeritierung lehrte er in Harvard, an derUniversität Manchester sowie an derDuke University als Gastprofessor weiter. Friedrich war 1962/63 Präsident derAmerican Political Science Association und von 1967 bis 1970 derInternational Political Science Association.
Carl Joachim Friedrich hat sein Augenmerk in seinem Werk vor allem auf die prophylaktische Verhinderung und die Bewältigung von Krisen in Politik und Gesellschaft gerichtet. Aus diesem Denken heraus erklärt sich seine Theorie des modernen Verfassungsstaates und aus dieser Intention heraus ist auch seine Kritik an der totalitären Diktatur begründet. Neue Ideen entwickelte Friedrich neben seiner umstrittenenTotalitarismustheorie besonders in der Erforschung desKonstitutionalismus und desFöderalismus. Friedrich verstand Politik in einem Gemeinwesen als „Prozess der Gemeinschaftsbildung“.
Seine bekanntesten politikwissenschaftlichen Beiträge waren die später von ihm auch ins Deutsche übersetzten VeröffentlichungenConstitutional Government and Democracy (1937 ff.) undMan and his Government (1963). Friedrichs „Verfassungsstaat“ wurde als bahnbrechendes Werk angesehen, „in dem erstmals versucht wurde“, wie es sein SchülerKlaus von Beyme ausgedrückt hat, „den juristischen Formalismus der älteren Literatur und den ‚country by country-approach‘ durch eine komparative Fragestellung zu ersetzen“. Friedrich wird daher auch als „Vater“ derVergleichenden Politikwissenschaft angesehen.
Friedrichs Vorstellungen einer „Guten Demokratie“ lehnen auch eine „Basisdemokratie“ als „totalitär“ ab. Die theoretischen Annahmen – insbesondere seine Anlehnung anCarl Schmitts „Verfassungsstaat“ – von Friedrichs Totalitarismustheorie gelten nachHans J. Lietzmann als potentiell antidemokratisch. NachKlaus von Beyme galt Friedrichs Hauptaugenmerk „der Schaffung und Erhaltung belastungsfähiger Institutionen“. Darin kann auch seine Mitwirkung an der Ausarbeitung der Landesverfassungen (s. o.) begründet werden.
Personendaten | |
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NAME | Friedrich, Carl Joachim |
KURZBESCHREIBUNG | deutsch-amerikanischer Politikwissenschaftler |
GEBURTSDATUM | 5. Juni 1901 |
GEBURTSORT | Leipzig |
STERBEDATUM | 19. September 1984 |
STERBEORT | Lexington (Massachusetts) |