Camille Saint-Saëns’ musikalisches Talent wurde schon früh von seiner Mutter und seiner Großtante gefördert. Mit drei Jahren lernte er lesen, im Alter von sechs Jahren schrieb er erste Kompositionen, mit elf Jahren gab er 1846 sein erstes öffentliches Konzert in derSalle Pleyel inParis. Von manchen Zeitgenossen wurde er als neuerMozart gehandelt.
Sein musikalisches Debüt als Komponist hatte Saint-Saëns 1853, als seineerste Sinfonie aufgeführt wurde, und 1857 mitseiner zweiten, die von der Kritik positiv aufgenommen wurden.
Ab 1854 arbeitete er als Organist in derÉglise Saint-Merri. 1858 wechselte er an dieMadeleine-Kirche; eine Position, die er 1877 aufgab, um sich ganz der Komposition zu widmen.[3] Die Anstellung in der Kirche La Madeleine forderte vom jungen Saint-Saëns regelmäßige Kompositionen für die zahlreichen Anlässe im Kirchenjahr.[3] Aus dieser besonders produktiven Schaffensphase stammen neben zahlreichen kleineren religiösen Werken auch die ersten zwei Violinkonzerte und dieSymphonie No. 2 in a-Moll.[4] Im Dezember 1858, also im Alter von 23 Jahren, schrieb Camille Saint-Saëns in gerade einmal 12 Tagen seinOratorio de Noël und brachte es am 25. Dezember dieses Jahres in La Madeleine zur Uraufführung.[5]
Von 1861 bis 1865 lehrte Saint-Saëns an derÉcole Niedermeyer de Paris Klavier, wo auchGabriel Fauré zu seinen Schülern gehörte.1865 entstand die OperLe Timbre d’Argent, die ebenso wieÉtienne Marcel wenig erfolgreich war. 1872 komponierte er die heute nahezu unbekannte OperDie Gelbe Prinzessin. 1868–1877 entstand die OperSamson et Dalila, die 1877 inWeimar uraufgeführt wurde. Die französische Erstaufführung fand 1890 in Rouen statt, und in Paris wurde die Oper 1892 erstmals aufgeführt.
Wesentlich mehr Erfolg als mit seinen Opern hatte Saint-Saëns mit seinen sinfonischen DichtungenLe Rouet d’Omphale (1872),Phaéton (1873),Danse macabre (1875), in dem er das Xylophon in die sinfonische Musik einführte,[6] undLa Jeunesse d’Hercule (1877).
Nach demDeutsch-Französischen Krieg machte er sich 1871 für eine nationale französische Musik stark und gründete gemeinsam mitCésar Franck dieSociété Nationale de Musique. In der Folgezeit unternahm er zahlreiche Kunstreisen und wirkte nicht nur als Komponist und Pianist, sondern auch durch Aufsätze zu musikalischen Themen.
Lange Junggeselle geblieben, heiratete er 1875 mit 40 Jahren die 19-jährige Industriellentochter Marie-Laure Truffot (1855–1950) ausLe Cateau-Cambrésis. Die Ehe verlief unglücklich. Zwei Söhne starben 1878. Saint-Saëns verließ seine Frau 1881 und zog zu seiner Mutter zurück.[7] 1877 erhielt er 100.000 Franc von dem Mäzen Albert Libon, dem er 1878 dasRequiem widmete. In den 1880er Jahren galt er als größter Musiker des Landes, wurde 1881 in dieAkademie der schönen Künste gewählt und 1884 zum Offizier derEhrenlegion, 1913 erhielt er das Großkreuz der Ehrenlegion. In den letzten Lebensjahren reiste er viel nach Nordafrika und Amerika; noch mit 80 Jahren machte er eine erfolgreiche USA-Tournee. Er bekämpfte Einflüsse der deutschen Musik auf die französische und besonders den Kult umRichard Wagner undArnold Schönberg. Mit 86 Jahren spielte er im Kasino vonDieppe zum 75-jährigen Bühnenjubiläum als Pianist.
Trotzdem verblasste sein Ruhm in Frankreich, wo er als altmodisch galt. Obwohl er sich für eine progressive französische Sinfonik eingesetzt hatte, blieb seine Musik eher konservativ. Eine große Ausnahme stellt sein SpätwerkLe Carnaval des Animaux(Karneval der Tiere) von 1886 dar, das sich durch seinen deskriptiven Charakter von der zeitgenössischen Musik abhob. 1908 komponierte er zum ersten Mal eine spezielle Filmmusik für den FilmDie Ermordung des Herzogs von Guise.
Zu seinen berühmten Kompositionen zählt auch dieSinfonie Nr. 3 in c-Moll, dieOrgelsinfonie, die weltweit Anklang fand und dasDies irae zum Grundthema hat. Das signifikanteMaestoso des Werks inspirierte das DuoScott Fitzgerald undYvonne Keeley zu derReggae-AdaptionIf I Had Words, die 1978 zu einem Charterfolg wurde. Auch einige der Klavierkonzerte (insbesondere daszweite,vierte undfünfte) gehören auch heute noch zu seinen bekannteren Schöpfungen, sein 1. Cellokonzert in a-Moll gilt als Pflichtstück eines jeden Cellosolisten.
Seine Instrumentation ist gelegentlich von eigenartigen, fast experimentellen Klangbildern gekennzeichnet. So schreibt er beispielsweise im Finalsatz der genannten Orgelsinfonie einen Klavierpart zu vier Händen vor, in seinem Klavierquintett verlangt er ebenso im Finalsatz den Einsatz eines Kontrabasses.
Er starb 1921 auf einer Reise in Algier. Sein Leichnam wurde nach Paris übergeführt und dort auf demFriedhof Montparnasse beigesetzt.
Saint-Saëns: Un esprit libre. Sous la direction de Marie-Gabrielle Soret; [préface de Laurence Engel], Paris: BnF éditions, DL 2021, DL 2021,ISBN 978-2-7177-2828-6
↑DasTrema in ë stammt aus der Zeit, als das e in diesem Namen noch ausgesprochen wurde. Seitdem es verstummt ist, hat das Trema für die Aussprache keine Bedeutung mehr, wie z. B. auch im Namen der SchriftstellerinMadame de Staël, der sich vom baltischen Adelsgeschlecht der Stael oder Stail herleitet.
↑Zum s imAuslaut: Der Komponist selbst wünschte, dass sein Name wie die OrtschaftSaint-Saëns ausgesprochen werde, die zu seinen Lebzeiten noch [sɛ̃sɑ̃] genannt wurde; s.Doit-on prononcer le «s» final de Saint-Saëns? (Memento vom 16. Januar 2017 imInternet Archive). Sprachhistoriker erklären, dass die Aussprache ohne s grammatisch korrekt sei, da das s auf die lateinische Endung -us zurückgeht, die auch in anderen Namen wie Georges und Gilles verstummt ist. Saint-Saëns ist die französische Form des Namens des Heiligen Sidoneus. So sprechen einige französischsprachige Intellektuelle und Musiker den Namen des Komponisten ohne auslautendes s aus. (SieheArtikel in der Revue et Gazette Musicale vom 7.7. 1844: „…le nom se prononce comme celui d’un billet de banque représentant la moitié de mille francs“.) Jedoch ist [sɛ̃sɑ̃s] im Französischen heute weit verbreitet, gleichermaßen in Bezug auf die Ortschaft wie auf den Komponisten. Duden gibt zuSaint-Saëns nur die Aussprache mit s im Auslaut an.
↑abBrian Rees:Camille Saint-Saëns. A Life. London 1999,S.94f.
↑Stephen Studd:Saint-Saëns. A Critical Biography. London 1999,S.42f.