Dieser Artikel behandelt den Begriff der Gewohnheit. Zu anderen Bedeutungen sieheBrauch (Begriffsklärung).
Die ausgiebige Begehung desLuciafestes ist ein besonders in Schweden gepflegter Brauch mit langer TraditionEin typisch deutscher Adventsbrauch, derAdventskranzAusgehöhlte Futterrübe beimRübengeisternEin typischer Brauch in Südasien ist das Bemalen der Hände einer Braut am ersten Hochzeitstag mit kunstvollen Henna-Mustern, (siehe auchMehndi)Zum Brauchtum derApachen gehört der spirituelle „Tanz der Berggeister“DerHongi-Gruß ist ein Brauch derMāoriSchweizer Brauchtum mitTrycheln
EinBrauch (vonalthochdeutschbruh ‚Nutzen‘, und gehörig zu mittelhochdeutschbrūchen ‚brauchen, gebrauchen, verwenden‘) oderUsus (vonlateinischuti ‚gebrauchen‘) ist eine innerhalb einerGemeinschaft entstandene, regelmäßig wiederkehrende, soziale Handlung von Menschen in festen, starkritualisierten Formen. Bräuche sind Ausdruck derTradition. Sie dienen ihrer Erhaltung und Weitergabe sowie dem inneren Zusammenhalt der Gruppe (Gruppenkohäsion).[1]
Im Gegensatz zuRitual,Ritus undKult ist der Brauch weit weniger symbolhaft auf ein „höheres Ziel“ gerichtet, obgleich sich viele Bräuche im Laufe desKulturwandels aus kultischen Handlungen entwickelt haben.
Die Gewohnheiten eines Einzelnen werden nichtBrauch genannt. Ausethnologischer Sicht bestimmt ein Brauch den Ablauf vonZeremonien, eineSitte hingegen ist die hinter dem Brauch stehende moralische Ordnung. Alle Bräuche – oder eine zusammenhängende Gruppe von Bräuchen – einer Gemeinschaft als kulturelles Gesamtphänomen heißenBrauchtum oderBrauchkomplex.
Die BezeichnungBrauchtum für den Brauchkomplex ist in der volkskundlichen Brauchforschung veraltet und wird dort kaum noch verwendet. Erwähnt wird der Begriff jedoch immer für die Gesamtheit der Bräuche eines Volkes oder einer Volksgruppe.
Ein Brauch äußert sich als Begleitphänomen bestimmter, als Einschnitte wahrgenommener Lebenserfahrungen. Die menschliche Kultur hat ein reiches Brauchtum entwickelt. Dieses äußert sich in biologischen Erfahrungen und Entwicklungen, wie beiGeburt,Sexualität,Tod, oder imgesellschaftlichen Bereich durchJubiläen,Feste,Feiern und letztlich imTranszendenten in Formen wieKultus und religiösen Festen.
Bräuche dienen der Sinn-,Identitäts- undIntegrationsstiftung. Sie vereinen und wirken gemeinschaftsbildend. Bei Staatsbesuchen erklingen dieNationalhymnen und in Gestalt der gehisstenFlagge wird die jeweilige Nation geehrt.Feuerwehren, Sport- und Musikvereine,Fastnachtsgemeinschaften, Zünfte und Universitäten, Kindergruppen, Jugendcliquen oder -banden bilden und bewahren regionales wie nationales Brauchtum.
Ein Brauch ist eine Handlung, die nicht beliebig oder spontan abläuft, sondern einer bestimmten Regelmäßigkeit und Wiederkehr bedarf. Sie setzt eine brauchausübende Gruppe voraus, für die dieses Handeln von Bedeutung ist. Der Handlungsablauf ist durch Anfang und Ende gekennzeichnet. Seine formale wie zeichenhafte Sprache muss der Trägergruppe bekannt sein. Ein Brauch ist zum einen zu unterscheiden vomRitus, der die soziale mit der religiösen Welt zu verbinden sucht, zum anderen von derGewohnheit, die eine zweckmäßige, nicht notwendigerweise soziale Routine darstellt. DasRitual ist Teil des Brauchkomplexes. Bräuche wirken zudem handlungsorientierend. Sie liefern einen Rahmen, einen Satz von Zeichen und Symbolen, Anweisungen und Rollen und passen diese an. Oftmals stellen Bräuche eine genaue Formulierung für eine bestimmte Gelegenheit bereit, die durch die Beteiligten erwartet wird.
Im Lauf der Entwicklung können Bräuche ihre Bedeutung verlieren und zum leeren Selbstzweck werden. Hierin sind sie dem Ritual verwandt, bei dem es auch durch die Entkopplung von Form und Inhalt zur Aushöhlung, also Sinnentleerung kommen kann. Bräuche und Rituale werden von den sozialen Akteuren nur dann als sinnerfüllt erlebt, wenn Form und Inhalt zusammengehen.
Dieindustrielle Revolution des 19. und 20. Jahrhunderts zeitigte den Übergang von einer überwiegend landwirtschaftlich geprägten zu einer städtisch-industriellen, modernen Gesellschaft. Dies brachte einen Verlust der Bedeutung vieler kollektiver Gewohnheiten und regionaler Bräuche mit sich, die in der vorindustriellen Welt beheimatet waren. Dies wird häufig alsTraditionsverlust bezeichnet und kritisiert. Ein Aufrechterhalten traditioneller Bräuche aus zweiter Hand und zumeist ohne tatsächlichen Bezug zur historischen Bedeutung wird alsFolklorismus umschrieben. Umgekehrt stellenVolkskundler fest, dass permanent neue Bräuche entstehen. Diese Bräuche haben oft nicht die gleiche Bindekraft und Lebensdauer wie Bräuche früherer Zeiten. Hintergrund ist, dass die Traditionsketten, die Bräuche überliefern, kürzer werden. Einer Aufstellung und Erfassung von Bräuchen aus unterschiedlichen Bereichen widmet sich dasBrauchwiki.
Eine weitere Möglichkeit Bräuche zu klassifizieren ist die Abfolge im Jahr. Solche Einteilung findet sich teilweise regional begrenzt, wobei der Jahreslauf mit dem Wechsel von Jahreszeiten oder Arbeitsabläufen die Monatseinteilung bedingt.
Innerhalb einiger Berufsstände hat sich ein umfangreiches Brauchtum entwickelt; neben denHandwerkern betrifft es insbesondere die Bräuche derBergleute. Ritualisierte Abläufe finden sich bei den Verbänden derSchützen und darauf bezogen imSoldatischen. Weitere Bräuche finden sich bei denStudenten, imjagdlichen Brauchtum und in (teilweise regionalen) Bräuchen zurAbiturfeier.
Andreas C. Bimmer:Brauchforschung. In: Rolf W. Brednich (Hrsg.):Grundriß der Volkskunde. Einführung in die Forschungsfelder der Europäischen Ethnologie. 3. Auflage. Reimer, Berlin 2001,ISBN 3-496-02705-3, S. 445–468.
James Frazer:Der goldene Zweig. Das Geheimnis von Glauben und Sitten der Völker. Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1994,ISBN 3-499-55483-6.
Herbert Schwedt (Hrsg.):Brauchforschung regional (Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung; Band 14). Steiner-Verlag, Wiesbaden 1989,ISBN 3-515-05368-9.
Olav Selke:Handelsbräuche als autonomes kaufmännisches Recht aus praktischer Sicht. Dissertation. Ibidem, Stuttgart 2001,ISBN 3-89821-146-0.
Helga M. Wolf:Das neue Brauchbuch. Alte und junge Rituale für Lebensfreude und Lebenshilfe. Österreichischer Kunst- und Kulturverlag, Wien 2000,ISBN 3-85437-216-7.