UnterBankrott (italienischbanca rotta, „zerbrochene Bank“[1]) versteht man in derWirtschaft dieZahlungsunfähigkeit (Insolvenz) einesSchuldners (in derUmgangssprache auchKonkurs oderPleite). In Deutschland wird mit demRechtsbegriffstrafrechtlich eineInsolvenzstraftat bezeichnet. Italienische Geldwechsler derRenaissance haben auf Tischen (das italienischebanco kann einLadentisch oder eineWerkbank sein) ihre Dienste angeboten. Konnte ein Geldwechsler seine vertraglichen Verpflichtungen nicht erfüllen, wurde sein Tisch zerstört. Es ging also bereits früher in Italien darum, dass finanziell angeschlagene Schuldner ihre Existenz gefährdeten. Heute umfasst in Italien der Begriff ein die Gläubiger schädigendes Verhalten.[2] Der Bankrott ist seit März 1942 im italienischenLegge fallimentare („Insolvenzgesetz“; Art. 216, 217) geregelt, wird aber dort nicht so bezeichnet.
Generell können alleWirtschaftssubjekte in unüberwindbareFinanzkrisen geraten (Unternehmen:Insolvenz,Privathaushalte:Privatinsolvenz,Staaten:Staatsbankrott).
Im Jahre 1457 scheint der Begriff erstmals inHamburg aufgetaucht zu sein: „Bankeruth spoelen oft meer koepen dan sy betalen kunnen.“[3] Der Entwurf eines „peinlichen Gesetzbuchs für die kurpfalzbaierischen Staaten“ sah bereits im Jahre 1802 vor, dass, „wer durch muthwilligen Bankerut seinen Gläubigern einen Schaden zufügt“, als Strafe ins Arbeitshaus oder Zuchthaus kommen sollte.[4] Das war der Vorläufer des heutigen betrügerischen Bankrotts. Noch 1830 galt, dass jemand betrügerischen Bankrott beging, wenn er zwar zahlen konnte, aber nicht wollte.[5]
Der RechtsbegriffBankrott findet sich heute nur im deutschen Strafrecht (§ 283,§ 283aStGB) und gehört zu denInsolvenzdelikten. Hier werden einige im Gesetz erwähntevorsätzliche Tatbestandsmerkmale im Bereich derbetrügerischenÜberschuldung oder bei drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit mit Strafandrohung belegt. Die im Gesetzabschließend aufgezählten Tathandlungen müssen während einerUnternehmenskrise begangen werden oder eine solche Krise kausal mit herbeiführen.[6] Es handelt sich überwiegend um abstrakte Gefährdungsdelikte, so dass eine konkrete Gefährdung einzelner oder allerGläubiger nicht vorausgesetzt wird.[7] Für dieAuslegung der „wirtschaftlichen Krise“ bieten dieLegaldefinitionen derInsolvenzordnung (InsO) eine erste und gewichtige Orientierung.[8] Bis auf diese wenigen strafrechtlichen Tatbestände verwendet der Gesetzgeber in Deutschland seit Januar 1999 den BegriffInsolvenz. Seitdem wird der Bankrott einer Privatperson alsPrivatinsolvenz behandelt.
Danach wird mitFreiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oderGeldstrafe bestraft, wer beiÜberschuldung oder beidrohender oder eingetretenerZahlungsunfähigkeit
- Bestandteile seinesVermögens, die im Falle der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zurInsolvenzmasse gehören, beiseiteschafft oder verheimlicht oder in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise zerstört, beschädigt oder unbrauchbar macht,
- in einer denAnforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise Verlust- oderSpekulationsgeschäfte oderDifferenzgeschäfte mitWaren oderWertpapieren eingeht oder durch unwirtschaftliche Ausgaben,Spiel oderWette übermäßige Beträge verbraucht oder schuldig wird,
- Waren oder Wertpapiere aufKredit beschafft und sie oder die aus diesen Waren hergestellten Sachen erheblich unter ihrem Wert in einer den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft widersprechenden Weise veräußert oder sonst abgibt,
- Rechte anderer vortäuscht oder erdichtete Rechte anerkennt,
- Handelsbücher, zu deren Führung er gesetzlich verpflichtet ist, zu führen unterlässt oder so führt oder verändert, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird,
- Handelsbücher oder sonstige Unterlagen, zu deren Aufbewahrung ein Kaufmann nach Handelsrecht verpflichtet ist, vor Ablauf der für Buchführungspflichtige bestehendenAufbewahrungsfristen beiseiteschafft, verheimlicht, zerstört oder beschädigt und dadurch die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert,
- entgegen demHandelsrecht
- Bilanzen so aufstellt, dass die Übersicht über seinen Vermögensstand erschwert wird, oder
- es unterlässt, die Bilanz seines Vermögens oder dasInventar in der vorgeschriebenen Zeit aufzustellen, oder
- in einer anderen, den Anforderungen einer ordnungsgemäßen Wirtschaft grob widersprechenden Weise seinen Vermögensstand verringert oder seine wirklichen geschäftlichen Verhältnisse verheimlicht oder verschleiert.
DerVersuch diesesVergehens ist ebenfalls strafbar. Die Tat setzt grundsätzlichVorsatz voraus,Eventualvorsatz genügt. Doch auch bestimmte Fälle derfahrlässigen Handlungen und der fahrlässigen Erfolgsverursachung sind nach§ 283 Abs. 4 und 5 StGB strafbar, allerdings mit geringerer Strafe bedroht. Objektive Bedingung der Strafbarkeit ist, dass dasInsolvenzverfahren eröffnet oder die Eröffnung mangels Masse abgelehnt worden ist oder der Täter seine Zahlungen eingestellt hat.
Neben dem Bankrott kommt in Deutschland als weitere Straftat im Zusammenhang mit Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung von Unternehmen auch dieInsolvenzverschleppung in Betracht.
Der Begriff der Zahlungsunfähigkeit ist in§ 17 Abs. 2InsO definiert. Danach ist der Schuldner zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Entscheidend kommt es dabei auf den Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Forderungen an. Die bereits eingetretene Fälligkeit kann (nur) durch Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarungen beseitigt werden. Von der Zahlungsunfähigkeit abzugrenzen ist die bloße Zahlungsstockung. Eine Zahlungsstockung liegt vor, wenn kurzfristig und behebbar Liquidität fehlt, aber innerhalb einer Drei-Wochen-Frist mit der Wiederherstellung der Zahlungsfähigkeit hinreichend sicher zu rechnen ist.
Die Zahlungsunfähigkeit kann nachgewiesen werden durch eine stichtagsbezogene Liquiditätsbilanz. Sie kann aber auch vermutet werden, wenn bestimmte Anhaltspunkte vorliegen, z. B. durch die ausdrücklicheBankrotterklärung des Schuldners, nicht zahlen zu können, gescheiterte Vollstreckungsversuche oder die Nichtzahlung von Löhnen, Gehältern oder Sozialversicherungsabgaben. In diesem Falle obliegt es den Handelnden, die Vermutung der Zahlungsunfähigkeit ihrerseits zu widerlegen.
DieKrida inÖsterreich (inLiechtenstein:Konkurs) ist sowohl ein Straftatbestand imösterreichischen als auch demliechtensteinischenStrafgesetzbuch (StGB). Er entspricht in etwa dem deutschenBankrott im Strafrecht. Beide unterscheiden zwischenbetrügerischer Krida (bzw.betrügerischem Konkurs) undfahrlässiger Krida (bzw.fahrlässigem Konkurs).
Nach§ 156 StGB (Österreich, Liechtenstein) wird wegen betrügerischer Krida (Liechtenstein: Betrügerischer Konkurs) mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren bestraft, wer die Befriedigung eines seinerGläubiger durch die Verheimlichung oder Verringerung seines Vermögens vereitelt oder schmälert. Für die fahrlässige Krida wurde§ 159 StGB inzwischen (2000 bzw. 2007) geändert auf „Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen“, d. h. der strafrechtliche Tatbestand wurde gegenüber vorherigen Fassungen erheblich eingegrenzt.
In Österreich regelt zivilrechtlich dieösterreichische Insolvenzordnung das Verfahren.
In derSchweiz wird der Bankrott gemäß demBundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs (SchKG) als Konkurs bezeichnet. Unterliegt der Schuldner der Konkursbetreibung, so droht ihm dasBetreibungsamt nach Empfang desFortsetzungsbegehrens unverzüglich den Konkurs an (Art. 159 SchKG). Das für die Eröffnung des Konkurses zuständige Konkursgericht hat auf Verlangen des Gläubigers die Aufnahme eines Verzeichnisses aller Vermögensbestandteile des Schuldners (Güterverzeichnis) anzuordnen (Art. 162 SchKG).
InGroßbritannien gibt es denInsolvency Act von 1986, der zwischenKapitalgesellschaften („insolvency“) undPersonengesellschaften sowie natürlichen Personen („bankruptcy“) unterscheidet.
In denUSA wird gesetzestechnisch von „bankruptcy“ gesprochen. DerBankruptcy Act of 1898 („Nelson Act“ vom 1. Juli 1898, ch. 541, 30 Stat. 544) war das erste Gesetz, das das Konkursverfahren in den USA regelte. Es wurde durch denBankruptcy Reform Act of 1978 (95–598, 92 Stat. 2549 vom 6. November 1978) ersetzt. Hauptgebiete sind dieLiquidation derVermögenswerte (Chapter 7), Bankrott vonMunizipalitäten (Chapter 9) oderUnternehmen (Chapter 11).
Der BegriffStaatsbankrott ist in Deutschland kein Rechtsbegriff;[9] Staatsbankrott bedeutet in der Literatur vielfach die Nichterfüllung finanzieller Verpflichtungen eines Staates. Für dasBundesverfassungsgericht (BVerfG) war 1965 ein Staatsbankrott das „Missverhältnis zwischen dem Leistungsvermögen und denPassiven“.[10] In Deutschland sindBund,Länder undGemeindeninsolvenzunfähig, denn gemäß§ 12InsO ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen dieserGebietskörperschaften unzulässig.
Es gibt international weder ein normiertes Verfahren noch anerkannte Indikatoren, aus denen eine staatliche Zahlungsunfähigkeit abgeleitet werden kann.[11] Staatsbankrott war und ist international ein in der Realität häufig anzutreffender Vorgang. Staatliche Zahlungsunfähigkeit ist in den letzten 200 Jahren in rund 90 Fällen erklärt worden. Auch in Europa haben sich Staaten – einige gar mehrfach – außerstande erklärt, ihreVerbindlichkeiten zu bedienen. DerIWF versuchte seit November 2001 im Rahmen seinesSovereign Debt Restructuring Mechanism die Grundstrukturen eines staatlichenInsolvenzrechts zu entwickeln. Im April 2003 zeigte sich jedoch, dass derartige formelle Krisenlösungskonzepte bei einer Vielzahl wichtiger Mitgliedsstaaten des IWF keine hinreichende politische Unterstützung fanden.[12]
- ↑Ursula Hermann,Knaurs etymologisches Lexikon, 1983, S. 66;ISBN 3-426260743
- ↑Gabriella Caiazza,Sprachfallen in Italienisch, 1999, S. 35
- ↑Hans Schulz (Hrsg.),Deutsches Fremdwörterbuch, 1997,S. 108.
- ↑Entwurf eines peinlichen Gesetzbuchs für die kurpfalzbaierischen Staaten,Gallus Aloys Kaspar Kleinschrod, 1802, S. 195
- ↑Zeitschrift für die Criminal-Rechts-Pflege in den preußischen Staaten, Band 24, Berlin 1830, S. 15.
- ↑Jörg Eisele:Strafrecht: Eigentumsdelikte, Vermögensdelikte und Urkundendelikte. 2009, S. 320.
- ↑Johannes Wessels:Strafrecht. Besonderer Teil: 2, Straftaten gegen Vermögenswerte. 2009, S. 246.
- ↑Johannes Wessels:Strafrecht. Besonderer Teil: 2, Straftaten gegen Vermögenswerte. 2009, S. 247.
- ↑Kai von Lewinski:Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott (=Jus Publicum. Bd. 202), Mohr Siebeck/Tübingen, 2011, S. 18
- ↑BVerfG, Beschluss vom 3. November 1965, Az.: 1 BvR 62/61 =BVerfGE 19, 150, 159
- ↑Kai von Lewinski,Öffentlichrechtliche Insolvenz und Staatsbankrott, Mohr Siebeck/Tübingen, 2011, S. 21
- ↑Deutsche Bundesbank (Hrsg.),Geschäftsbericht 2003, S. 110 f. (Memento vom 5. Februar 2013 imInternet Archive)