DieBallets Russes [balɛʀys] gelten als eines der bedeutendstenBallettensembles des 20. Jahrhunderts. Sie wurden 1909 von dem russischenImpresarioSergei Djagilew gegründet und wirkten unter seiner Leitung zunächst in Paris, wo sie am 19. Mai 1909 einen begeisternden ersten Auftritt hatten.[1][2] 1911 nahm die Kompanie ihren Sitz in Monte Carlo. Djagilews Ziel war es, russische Kunst in Europa bekannt zu machen. Er folgte dabei dem PrinzipL’art pour l’art, also Kunst um ihrer selbst willen, ohne gesuchten Bezug zur politischen Realität ihrer Zeit.
DieChoreografen der Kompanie, wieMichel Fokine,Léonide Massine undGeorge Balanchine, legten den Grundstein für das moderneBallett, während Tänzer wieVaslav Nijinsky undAnna Pawlowa zu internationalen Stars der Ballettszene avancierten. Nach Djagilews Tod im Jahr 1929 wurde die Kompanie aufgelöst. Es bildeten sich als Nachfolgekompanie dieBallets Russes de Monte Carlo.[3]
Djagilew hatte bereits im Jahre 1906 eine große Ausstellung russischer Kunst im Grand Palais und 1907 eine Konzertreihe mit russischen Kompositionen an der Pariser Oper arrangiert. 1909 präsentierte er im PariserThéâtre du Châtelet verschiedene Ballette vonMichel Fokine, darunterLe Pavillon d’Armide,Le Festin,Les Sylphides undCléopâtre. Getanzt wurden die Stücke von berühmten Ballettstars des PetersburgerMariinski-Theaters wieTamara Karsawina, Vaslav Nijinsky und Anna Pawlowa.
1910 gründete Djagilew mit Tänzern ausSankt Petersburg undMoskau eine feste Theaterkompanie, die bis 1914 ihren Sitz in Sankt Petersburg hatte. Auf ihren Tourneen erlangten die Ballets Russes mit den vomNaturalismus inspirierten Choreographien Michel Fokines schnell Weltruhm. Stücke wieL’Oiseau de Feu undPetruschka nach der MusikIgor Strawinskis gehörten in der Folgezeit zum Repertoire mehrerer Tourneen.
Berühmte Bühnen- und Kostümbildner der Balletts Russes waren der vomJugendstil inspirierteLéon Bakst und der mehr zur klassischen Ausgewogenheit neigendeAlexandre Benoîs. Mit ihrer gesamten Aufführungsästhetik standen die Ballets Russes unter dem Einfluss des russischenSymbolismus. Den mechanistischen Kunsttendenzen nach der Jahrhundertwende wurde hier ein schwelgerisch üppiger, am Ausdruck von Emotion orientierter Stil entgegengesetzt.
Vaslav Nijinskys Choreografie zuLe sacre du printemps dagegen, die 1913 für die Ballets Russes entstand, wies über diesen Rahmen schon weit hinaus. Beim Publikum, das an die Bewegungen des klassischen Balletts oder der Handlungsballette des 18. Jahrhunderts gewöhnt war, löste sie einen Skandal aus. Diese Choreografie gilt mit ihren geometrisch-abstrakten Tanzfiguren gemeinhin als Beginn der Ballettmoderne. Auch Nijinskys Choreografie zuL’Après-midi d’un faune nach der Musik vonClaude Debussy setzte mit der Direktheit der Darstellung neue Maßstäbe.
1914 wandte sich Djagilew von der Sankt Petersburger Schule ab und begann die Zusammenarbeit mit bildenden Künstlern zu fördern – es entstanden Ballette mit starker Betonung desBühnenbilds.Léonide Massines Arbeiten wie beispielsweiseParade aus dem Jahr 1917 sind hiervon deutlich geprägt:Jean Cocteau,Eric Satie undPablo Picasso schufen hierfür Libretto, Musik und Bühnenbild. BeiZéphyr et Flora warVladimir Dukelsky (Vernon Duke) für die Musik undGeorges Braque für die Bühnenausstattung verantwortlich.
Im Jahr 1916 trat Djagilew mit seinem Ballet in Madrid auf. Dort lernte erManuel de Falla kennen (und aus der Zusammenarbeit mit ihm das WerkEl sombrero de tres picos).[4]
MitBronislava Nijinska, der Schwester Nijinskys, undGeorge Balanchine als Choreografen machten sich spätestens ab 1922 neoklassische Strömungen im Ensemble bemerkbar. Balanchine war um größtmögliche Einheit von Musik und Tanz bemüht und verzichtete auf dramatische Handlung. SeinApollon musagète von 1928 gilt als stilbildend.
Die Ballets Russes waren zu ihrer Zeit ein einflussreiches kulturelles Phänomen, das Mode machte. Der Starkult um den großen Tänzer Nijinsky, die oft exotisch-erotischen Balletthandlungen und die sinnlich-fantastischen Kostüme beschäftigten die öffentliche Phantasie sehr. Jeder Theaterabend war ein ausverkauftes Ereignis, die Damen kleideten sich „à l’orientale“, mit Turban, Federn und dunkel geschminktem Teint, man ging aus, um den „Gott des Tanzes“, Vaslav Nijinsky, zu bewundern.
In der künstlerischen Arbeit übten die Ballets Russes direkten Einfluss auf dasAmerican Ballet Theatre und die Kompanie desNew York City Ballet aus, wo Balanchine seine Arbeit fortführte.