Apollinisch-dionysisch ist ein bipolares,philosophischesBegriffspaar, welches zwei gegensätzliche Charakterzüge des Menschen beschreibt und sich dazu der Eigenschaften bedient, die den griechischen GötternApollon undDionysos zugeschrieben werden. Hierbei steht apollinisch[1] für Form und Ordnung und dionysisch für Rauschhaftigkeit und einen alle Formen sprengenden Schöpfungsdrang. Der Mythos vomMusikwettstreit zwischen Pan und Apollo wurde wirkungsgeschichtlich zu einer Illustration des Gegensatzpaars.
Das Begriffspaar wurde im Bereich der Philosophie ursprünglich vonFriedrich Wilhelm Joseph Schelling (1775–1854) aufgestellt und später durchFriedrich Nietzsche (1844–1900) ausgebaut und popularisiert. Nietzsche verwendete das Begriffspaar erstmals in den Schriften, die zu dem Werk „Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik“ führten.[2] Ferner benutzte er dieses Begriffspaar in zahlreichen Werken als wichtiges Element und trug damit wesentlich zur Popularisierung der Begriffe bei. Allerdings wurde es außerhalb der Philosophie schon vor Schelling verwendet, so insbesondere vonJohann Joachim Winckelmann (1717–1768) in der Kunstgeschichte, vonFriedrich Schlegel (1772–1829) in der Literaturgeschichte und Bereich der Mythologie und Religionswissenschaften vonFriedrich Creuzer (1771–1858),Friedrich Gottlieb Welcker (1784–1868) undJohann Jakob Bachofen (1815–1887).
Bis Schellings Spätwerk wird die apollinische Leistung der klaren ruhigen Geistigkeit gegenüber der dionysischen als höherwertig eingeschätzt.[3] Nietzsche sieht in der sinnlich-rauschhaften dionysischen Leistung einen Drang zur Einheit, die über das Individuum hinausgeht.[4]
- Friedrich Creuzer:Symbolik und Mythologie der alten Völker, besonders der Griechen. Bd. 3, Nachdruck der 3. verbesserten Ausg. Leipzig und Darmstadt 1842.
- Friedrich Schelling:Philosophie der Offenbarung. Bd. II. Darmstadt 1966.
- Friedrich Nietzsche:Die dionysische Weltanschauung, in: Giorgio Colli und Mazzino Montinari (Hrsg.):Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, Bd. 1. München 1980.
- Friedrich Nietzsche:Die Geburt der Tragödie aus dem Geiste der Musik, in: Giorgio Colli und Mazzino Montinari (Hrsg.):Sämtliche Werke. Kritische Studienausgabe, Bd. 1. München 1980
- Kleines Lexikon A-Z 1959 Verlag Enzyklopädie Leipzig Lektorat: A.M. Uhlmannapollinisch S. 43dionysisch S. 205
- Karlheinz Barck (Hrsg.), Martin Fontius (Hrsg.), Dieter Schlenstedt (Hrsg.), Burkhart Steinwachs (Hrsg.), Friedrich Wolfzettel (Hrsg.):Ästhetische Grundbegriffe: Band 1: Absenz – Darstellung. Springer, 2016,ISBN 978-3-476-00520-5, S. 246–271
- Henning Ottmann:Nietzsche-Handbuch: Leben – Werk – Wirkung. Springer, 2016,ISBN 978-3-476-00662-2, S. 187–190
- Bernhard-Arnold Kruse:Apollinisch-dionysisch: moderne Melancholie und Unio Mystica. Athenäum, Frankfurt am Main 1987,ISBN 3-610-08917-2.
- Martin Vogel:Apollinisch und dionysisch: Geschichte eines genialen Irrtums. Gustav Bosse, Regensburg, 1966.
- ↑ Kleines Lexikon A-Z 1959 Verlag Enzyklopädie Leipzig Lektorat: A.M. Uhlmann apollinisch:harmonisch, maßvoll. S. 43 Vgl. dionysischrauschhaft, wild. S. 205
- ↑Beispielsweise inDie dionysische Weltanschauung, Kapitel 2 und 3 (1870, unveröffentlicht)
- ↑Siegfried Blasche:apollinisch/dionysisch. In: Jürgen Mittelstraß:Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie. Zweite Auflage. Band 1, Metzler 2005. S. 177.
- ↑Friedrich Nietzsche: Kritische Studienausgabe VIII/3, 16