Aktionskunst ist ein Oberbegriff für eine Reihe von Strömungen derKunst des 20. Jahrhunderts, die die klassischen Formen derbildenden Kunst (Plastik,Malerei) überschritten und um andere mediale undperformative Ausdrucksformen erweiterten. Damit stellten sie sich in einen Widerspruch zu dem oft als zu konventionell und eng empfundenen Begriff von Kunst undKunstbetrieb. InWien fand die Aktionskunst in den 1960er Jahren ihren Ausdruck in demWiener Aktionismus.
Die Aktionskunst ist ein Vorläufer der künstlerischenPerformance und lässt sich von ihr nicht immer eindeutig unterscheiden.In der Aktionskunst kommen sowohl klassische Arbeitsweisen der bildenden Kunst zum Einsatz wieMalerei undBildhauerei, als auch neuere Medien wieFotografie,Film,Video. Mit der Aktionskunst vollzieht eine Wende zu mehr und mehrprozesshaften Formen künstlerischer Praxis. Als ein Teil der Aktionskunst gilt dieFluxus-Bewegung (lat. flux/fluere = fließend, vergänglich) der 1960er Jahre, die sich als fließender Übergang zwischen Kunst und Leben verstand.
In der Aktionskunst ist nicht selten der Künstler selber Bestandteil des Werkes und sein Körper künstlerisches Medium (z. B.Wolfgang Flatz). Während für ein klassisches Kunstverständnis die Trennung von Subjekt und Objekt Voraussetzung ist, indem der Künstler ein von ihm ablösbares Artefakt schafft, geht es in der Aktionskunst um Handlungen, in die die Künstler unmittelbar involviert sind. Durch extreme wie z. B. selbstverletzende Handlungen werden beim Zuschauer unmittelbar affektive und emotionale Reaktionen ausgelöst (z. B.Marina Abramović,Zhang Huan,Lilly McElroy).
In den 1960er Jahren entwickelte sich die Aktionskunst als eine Schnittmenge von Kunst undPolitik, in der dasHappening sowohl einKunstwerk als auch politische Manifestation sein konnte (wie dieAustreibung der Dämonen aus dem Pentagon 1967, angeführt vonAllen Ginsberg). Bekannte Vertreter der Aktionskunst sindJoseph Beuys,Nam June Paik,Asger Jorn,Wolf Vostell undHA Schult[1], die den Begriff derGestaltung nicht auf Bilder begrenzten, sondern als umfassenden Eingriff in die soziale Wirklichkeit der Welt ansahen. Beispiele dafür sind die kreativen Performances derYippies,Spontis oder die Aktionen derKommunikationsguerilla, wie etwa die „Überfälle“ der GruppeDie Überflüssigen 2005. Für die Klasse F+F ab 1965 und die daraus entstehendeF+F Schule für experimentelle Gestaltung in Zürich ab 1971 war die Aktionskunst ein zentraler Bereich, Aktionen mitDoris Stauffer,Mike Hentz,Hansjörg Mattmüller und Gästen wieHermann Nitsch und Marina Abramović prägten den Unterricht bis in die 1980er-Jahre.[2]
AlsFriedensreich Hundertwasser 1959 Gastdozent an der Hochschule für Bildende Künste in Hamburg war, zog er zusammen mitHerbert Schuldt,Bazon Brock und anderen eine zehn Kilometer langeEndlose Linie, die sich über Wände und Türen eines Hochschulraumes erstreckte, was damals einen Skandal auslöste. Als Aktionskünstler erregte Schuldt 1960 Aufsehen mit der von ihm initiiertenInternationalen Ausstellung von Nichts, die in einer verfallenen Villa im Hamburger Stadtteil Lokstedt stattfand und bei der lediglich leere Bilderrahmen, unbemalte Leinwände, leer laufende Filmspulen und Lehmklumpen zu sehen waren. Einziger Akteur warNatias Neutert, der rein pantomimisch von einem nicht vorhandenen Stuhl „Besitz“ ergriff.[3]
Oft findet Aktionskunst im öffentlichen Raum statt und provoziert dabei bewusst mediale oder polizeiliche Reaktionen wie zum Beispiel 1968 bei derMixed Media Show im Kunsthaus Hamburg, bei der dem Publikum unter anderem Mund-zu-Mund-Beatmung, Entblößen, Haschisch versprochen worden war, so dass die Polizei die Veranstaltung wegen Überfüllung und Einsturzgefahr des Gebäudes schließen musste. Mit dem Prinzip der Provokation spielt auchEin sehr kurzes Stück für Bankdirektoren vonTill Nikolaus von Heiseler undMichaela Caspar. Hier zeigt sich denn auch die strukturelle Verwandtschaft zumUnsichtbaren Theater vonAugusto Boal.In Frankfurt agierte der SchriftstellerHans Imhoff seit 1967 als Aktionskünstler, der die von der westdeutschen Studentenbewegung benutzten Medien wie Flugblätter und Manifeste für seine künstlerischen Ziele umfunktionierte.
In jüngerer Zeit standChristoph Schlingensief in der Tradition der Aktionskunst mit stark polarisierenden Auftritten wie z. B. als Wahlkämpfer einer eigens gegründeten ParteiChance 2000 im Bundestagswahlkampf 1998, als Hohepriester derChurch of Fear (2005), mit den AktionenTötet Helmut Kohl (2000) undTötet Möllemann (2002) oder der AktionBitte liebt Österreich, eine Persiflage auf das FernsehformatBig Brother. Bei der AktionBitte liebt Österreich stand ein Container vor der Wiener Staatsoper, in dem angeblich Asylbewerber saßen, über deren Ausweisung via Internet abgestimmt werden sollte (2000). In seiner Aktion „abgefertigt“ am Brandenburger Tor in Berlin (2007) greiftKurt Fleckenstein ebenfalls das Thema Asyl auf: 100 Jugendliche sitzen mit verbundenen Händen in so genannten Migrantentaschen und symbolisieren in symmetrischer Anordnung die Hilflosigkeit von Asylbewerbern bei der „Abfertigung“ für die Abschiebung. Zuletzt erregte dasZentrum für politische Schönheit Aufmerksamkeit mit Aktionen wie einem Schuhberg (2010) für die Opfer von Srebrenica oder der25.000 Euro Belohnung-Aktion (2012) für Hinweise, die die Eigentümer des PanzerkonzernsKrauss-Maffei Wegmann in Haft bringen sollten.[4] Zum 25. Jahrestag des Mauerfalls rief das Künstlerkollektiv zum „Ersten Europäischen Mauerfall“ auf und brachte die InstallationWeiße Kreuze über die EU-Außengrenzen zu „aktuellen Mauertoten“.[5][6][7] Im Sommer 2015 beerdigte das Zentrum für Politische Schönheit zwei Menschen, die zuvor im Mittelmeer ertrunken waren.[8][9][10][11] 2016 errichtete das Künstlerkollektiv eine römische Arena mitten in Berlin und suchte nach Flüchtlingen, die bereit waren, sich im Widerstand gegen das Beförderungsverbot für Flüchtlinge von Tigern fressen zu lassen.[12][13][14][15] DasPeng Collective infiltrierte eine Veranstaltung des ÖlkonzernsShell in Berlin und inszenierte dort eine Ölfontäne auf der Bühne (2013)[16][17] oder stellte als vermeintlicheGoogle-Mitarbeiter neue Überwachungsprodukte vor dem netzpolitischen Fachpublikum derRe:publica vor (2014).[18][19][20][21][22]
Die Aktionskunst überschneidet sich konzeptionell mit derProzesskunst, derBody-Art und derPerformance und weist auch Verwandtschaften zumexperimentellen Theater auf.